175 JAHRE SOLIDARITÄT

UNSERE GESCHICHTE

Das Bonifatiuswerk der deutschen Katholiken blickt auf eine 175-jährige Geschichte der Solidarität zurück.
Das Bonifatiuswerk der deutschen Katholiken blickt auf eine 175-jährige Geschichte der Solidarität zurück.

Am 4. Oktober 1849 haben Katholiken in Regensburg den "Bonifatiusverein" und damit das heutige Bonifatiuswerk der deutschen Katholiken gegründet. Auf der "Dritten Generalversammlung der Katholischen Vereine Deutschlands“, dem Vorläufer heutiger Katholikentage, beschlossen die Gründer, dass der Bonifatiusverein Hilfe „für arme katholische Gemeinden“ in der Diaspora leisten sowie ein "Missionsverein in und für Deutschland" sein sollte. An diesen Zielsetzungen hat sich bis heute kaum etwas geändert.

Das Bonifatiuswerk der deutschen Katholiken, das 1968 seinen alten Namen „Bonifatiusverein“ ablegte, blickt auf eine lange Geschichte der Solidarität zurück. Industrialisierung und Bevölkerungswachstum im ausgehenden 19. Jahrhundert, Weimarer-Republik und NS-Diktatur, Flüchtlingsströme nach dem Zweiten Weltkrieg und Deutsche Teilung, neue Herausforderungen in Nordeuropa und im Baltikum, die zunehmende Entchristlichung der Gesellschaft – das Bonifatiuswerk stand und steht stets an der Seite der katholischen Christinnen und Christen, die in einer extremen Minderheitensituation ihren Glauben leben wollen.

Aufbruch im 19. Jahrhundert

Die Gründerväter des Bonifatiuswerkes, unter ihnen der erste Präsident Josef Reichsgraf zu Stolberg-Stolberg aus Westheim in Westfalen, benannten als Zweck des Bonifatiusvereins in der ersten Satzung „... die Unterstützung der in protestantischen und gemischten Gegenden Deutschlands lebenden Katholiken in Beziehung auf Seelsorge und Schule“.

Mit beginnender Industrialisierung geriet im 19. Jahrhundert die strikte konfessionelle Trennung in weiten Teilen der deutschen Landen ins Wanken. Arbeiter aus dem katholischen Schlesien zog es zum Beispiel in die protestantisch geprägten Regionen Preußens. Sie fanden dort Arbeit und Lebensunterhalt für ihre Familien. Doch was fehlte, war eine katholische Infrastruktur: Kirchen und Pfarrhäuser, Schulen und Katecheseorte.

Den Glauben nicht leben, sonntags keine Messe feiern, den eigenen Glauben nicht angemessen weitergeben zu können, das erfuhren nicht nur katholische Christen in der Diaspora als große Not. Auch Gläubige in den katholischen Regionen erkannten diese Lebenssituation der Katholiken in der Diaspora als Herausforderung und spendeten reichlich an den Bonifatiusverein. Davon zeugen bis heute die Berichte des 1852 erstmals erschienen Bonifatiusblatts. Der Bonifatiusverein förderte mit dem Geld vor allem den Bau sogenannter „Missionsstationen“ in der weiträumigen Diaspora evangelisch geprägter Regionen. Diese bestanden in der Regel aus einer kleinen Kirche und einer katholischen Schule. Der Bonifatiusverein übernahm neben den Baukosten auch die Besoldung der Lehrer.

 

Die Kinderhilfe entsteht

Nach der Gründung des Deutschen Kaiserreichs 1871 veränderte sich die Situation in der Diaspora. Die Zahl der katholischen Christen in den neuen Industriezentren stieg sprunghaft an. Lebten zum Beispiel im Großraum Berlin 1871 noch 52.000 Katholiken, waren es 1910 bereits 414.000. Der Bonifatiusverein unterstützte in dieser Zeit in großem Maße den Bau von Kirchen und katholischer Infrastruktur.

Zudem weitete sich der Blick auf neu entstandene Nöte, vor allem auf Kinder und Jugendliche in der Diaspora. So gründeten Paderborner Kaufleute 1885 den Bonifatius-Sammelverein, der sich für katholische Waisenhäuser und sogenannte Kommunikanten-Anstalten in der Diaspora engagierte. 1891 bildete sich der „Schutzengelverein“, später Bonifatiuswerk der Kinder, für die Förderung katholischer Schulen und Katechismusunterricht. Gemeinsam mit dem 1921 gegründeten „Bonifatiusverein für höhere Schulen“, später Bonifatiuswerk der Jugend, bilden die beiden Kinderhilfswerke die Wurzel der heutigen Kinder- und Jugendhilfe im Bonifatiuswerk. Seit 1918 sammeln auf Beschluss der deutschen Bischöfe die Erstkommunionkinder und seit 1952 die Firmbewerber in ganz Deutschland für Projekte der Kinder- und Jugendhilfe im Bonifatiuswerk.

Nach dem Ersten Weltkrieg hielt sich der Bedarf an neuen katholischen Orten in den wachsenden Städten. In der Zeit der Weimarer Republik entstanden jährlich fast 40 Diasporakirchen dank der Hilfe des Bonifatiusvereins. Der Nationalsozialismus allerdings schränkte das Wirken des Bonifatiusvereins ein bis es zum Erliegen kam, unter anderem mit Verordnungen „zur Würde des Gottesdienstes“ und zur Schulpolitik, mit Presse- und Sammelgesetzen. Kurz vor Ende des Zweiten Weltkriegs wurde die Zentrale des Bonifatiusvereins in Paderborn durch Bomben zerstört.

 

Hilfe für die Kirche in der DDR und in Nordeuropa

Der Bonifatiusverein nahm gleich nach dem Krieg seine Arbeit wieder auf. Mit der Gründung der Diaspora-MIVA (Motorisierende innerdeutsche Verkehrs-Arbeitsgemeinschaft) 1949 wurde die heutige Verkehrshilfe des Bonifatiuswerkes ins Leben gerufen. Aufgrund von Flucht und Vertreibung lebten nun zahlreiche Katholiken in bis dahin evangelisch geprägten Gebieten. Der Bonifatiusverein förderte in diesen Regionen in Westdeutschland den Bau von Notkirchen, Priesterwohnungen, Gemeinderäumen sowie die Anschaffung von Fahrzeugen für die Seelsorge und die Organisation von Religionsunterricht.

Mit der deutschen Teilung und der sozialistischen Diktatur gerieten in Ostdeutschland katholische Christen in eine schwierige Lage. In den historisch gewachsenen Diaspora-Gebieten, die nun zur DDR gehörten, erlebten sich katholische Christen nicht mehr nur in einer extremen Minderheitensituation, sondern auch unter einer Staatsführung, die den christlichen Glauben und die Religionsausübung missbilligte und Gläubige wie Kirche schikanierte. Doch das Bonifatiuswerk blieb solidarisch an ihrer Seite über die Grenze hinweg. Mit Sachspenden und großer finanzieller Unterstützung half das Bonifatiuswerk, dass katholisches Glaubensleben in der DDR möglich blieb, Kirchen erhalten und gebaut und Priester ausgebildet werden konnten, Fahrzeuge zur Verfügung standen, der Glaube an Kinder und Jugendliche weitergegeben und katholische Kindergärten weiterbetrieben wurden. Der 1966 erstmals deutschlandweit abgehaltene „Diaspora-Sonntag“ entwickelte sich zum großen Tag der Solidarität mit den katholischen Christen in der DDR.

Doch das Bonifatiuswerk nahm sich nicht nur den Nöten der katholischen Christen jenseits der innerdeutschen Grenze an. Seit 1974 setzt es sich auch für die katholischen Christen in der Diaspora Nordeuropas ein. Kaum ein Prozent der Einwohner Schwedens, Norwegens, Islands, Finnlands und Dänemarks zählten zu dieser Zeit zur katholischen Kirche. Seit 1995 unterstützt das Bonifatiuswerk auch die Katholiken in Lettland und Estland. Letzteres zählt zu den säkularisiertesten Staaten weltweit.

 

Herausforderung Wiedervereinigung

"Als Christen müssen wir uns
jetzt in einer freien, liberalen Gesellschaft
bewähren, die uns herausfordert"

Bischof Joachim Wanke zur Situation
der Kirche nach der Wiedervereinigung

Der Fall der Mauer 1989 und die Wiedervereinigung bilden für das Bonifatiuswerk besonders freudige Ereignisse in der eigenen Geschichte. Endlich konnte den katholischen Glaubensgeschwistern in Ostdeutschland wieder direkt geholfen werden. In der ersten Zeit nach der Wiedervereinigung standen vor allem große Sanierungs- und Erhaltungsmaßnahmen in der katholischen Kirche in Ostdeutschland an. Dafür stellte das Bonifatiuswerk mit einem Feuerwehrfonds über 32 Millionen Euro Direkthilfe zur Verfügung.

Der mit der politischen Wende in der ehemaligen DDR erhoffte Eintritt ostdeutscher Bürger in die christlichen Kirchen blieb allerdings weitestgehend aus. Vielmehr sehen sich bis heute alle Christen auf dem Gebiet der ehemaligen DDR in der Diaspora. Über 75 Prozent der Einwohner Ostdeutschlands sind weder getauft noch gehören sie einer anderen Religion an. Eine weltweit einmalige Situation, die sonst nur noch in Tschechien und Estland in ähnlicher Weise zu beobachten ist.

Hilfswerk für den Glauben

"Es gibt eine emotionale Diaspora des Glaubens."

Bischof Stephan Ackermann (Trier) über ein Gefühl der Fremde
und mangelnden Beheimatung in katholischen Regionen

Mit dem Amtsantritt von Generalsekretär Monsignore Georg Austen 2008 begann das Bonifatiuswerk einen Reflektionsprozess zur veränderten Situation der Diaspora in Deutschland und zu missionarischen Perspektiven einer Diaspora-Kirche. Denn die immer weiter voran schreitende Säkularisierung der Gesellschaft lässt gläubige Katholiken in einer neuen Form der Einsamkeit, in einer emotionalen Diaspora des Glaubens zurück. Das Bonifatiuswerk reagiert und richtet in der Folge den Bereich "Missionarische und diakonische Pastoral" ein. Mit ihm entsteht die Glaubenshilfe – neben Bau-, Kinder- und Jugend- sowie Verkehrshilfe, die vierte Fördersäule des heutigen Bonifatiuswerkes. Sie unterstützt missionarische Projekte in ganz Deutschland und damit erstmals auch Projekte in katholischen Regionen sowie Personalstellen mit einer missionarischen Ausrichtung.

Seit Juli 2011 sendet das Bonifatiuswerk zudem engagierte junge Menschen mit dem "Bonifatius Praktikanten-Programm" nach Nordeuropa, Estland und Lettland, um dort direkt und unmittelbar kirchliches Leben in der Diaspora kennenzulernen. Das "Bonifatius Praktikanten-Programm" ist ein Kooperationsprogramm zwischen dem Bonifatiuswerk, dem Newman Institut in Uppsala/Schweden, einer Hochschule für Theologie, Philosophie und Kulturwissenschaften und den zusammenwirkenden Bistümern und Institutionen.

In den Jahren 2016 und 2017 hat das Bonifatiuswerk einen erneuten selbstkritischen Prozess durchlaufen und dabei alle internen und externen Strukturen und Prozesse analysiert, optimiert und auf aktuelle und künftige Rahmenbedingungen ausgerichtet. Als Konsequenz aus diesem Optimierungsprozess wurde eine ausführliche Standortvergewisserung verabschiedet, in denen Auftrag, Inhalte der Arbeit und Ziele überarbeitet wurden. Zum anderen wurde eine Satzungsänderung beschlossen. Das Bonifatiuswerk wird seit dem von einem geschäftsführenden Vorstand geleitet und vom Bonifatiusrat als Aufsichtsgremium beaufsichtigt und grundsätzlich inhaltlich begleitet. Zudem wurde das Bonifatiuswerk als kanonischer Verein anerkannt und bekam als solcher von der Deutschen Bischofskonferenz kirchliche Rechtspersönlichkeit verliehen.

Am 17. Mai 2019 wurde das Bonifatiuswerk mit dem Spendenzertifikat des Deutschen Spendenrats ausgezeichnet. Von unabhängigen Wirtschaftsprüfern wurde dem Hilfswerk eine zweckgerichtete, wirtschaftliche und sparsame Mittelverwendung der Spenden- und Fördergelder bescheinigt.

Unter dem Motto "Hilfswerk für den Glauben" stellt sich das Bonifatiuswerk heute in die Tradition seiner Gründerväter, die den Bonifatiusverein 1849 als "Missionsverein für Deutschland" ins Leben riefen. Und es richtet seinen Blick in die Zukunft: Denn die Not der Einsamkeit im Glauben fordert die Kirche in ganz neuem Maße heraus.

Seit September 2019 sucht und fördert das Bonifatiuswerk mit dem neu entwickelten Förderprogramm "Räume des Glaubens eröffnen" innovative missionarische Projekte in ganz Deutschland und stellt sich so den aktuellen gesellschaftlichen und kirchlichen Veränderungen und Herausforderungen. Ziel ist es, innovative Projekte ausfindig zu machen, die die Lebenswelt der Menschen mit dem Evangelium zusammenbringen.

EIN BLICK ZURÜCK INS JAHR 1954

UNSER
NAMENSPATRON

Er wird Apostel der Deutschen genannt und gilt als der entscheidende Glaubensbote, der das Christentum nachhaltig in deutschen Landen etablierte: der heilige Bonifatius. Weiterlesen

SATZUNG &
SELBSTVERSTÄNDNIS

In unserer Satzung ist die grundlegende Verfassung des Bonifatiuswerkes verankert. Eine Reflexion der Aufgaben und Schwerpunkte unserer Arbeit findet sich in unserer aktuellen Standortvergewisserung. Weiterlesen

UNSER
AUFBAU

Das Bonifatiuswerk ist ein eingetragener Verein. Unsere stimmberechtigten Mitglieder, u.a. die Vorsitzenden der 27 Diözesan-Bonifatiuswerke, entscheiden auf der Mitgliederversammlung über den Kurs unseres Spendenhilfswerkes. Weiterlesen