PODIUMSDISKUSSION

Kirchlicher Umbruch besonders in der Diaspora

Unter dem Titel „Abschied von der Diaspora oder: Welche Mission haben wir?“ hat das Bonifatiuswerk der deutschen Katholiken bei der Fachmesse und Ideenbörse „Pastorale! 2019“ in Magdeburg organisiert. (Fotos: Markus Nowak)
Unter dem Titel „Abschied von der Diaspora oder: Welche Mission haben wir?“ hat das Bonifatiuswerk der deutschen Katholiken bei der Fachmesse und Ideenbörse „Pastorale! 2019“ in Magdeburg organisiert. (Fotos: Markus Nowak)

24.09.2019

Der Begriff der Diaspora beschreibt eine Mangelsituation, wenn etwa wenige Katholiken unter vielen Anders- oder Nichtgläubigen leben. Das Bonifatiuswerk unterstützt katholisches Leben in der Diaspora Deutschlands und Nordeuropas seit 170 Jahren auf vielfältige Weise. Denn die Minderheitensituation von Christen wird oft als außergewöhnlich und bedrohlich gesehen. Aber sie entspricht weit eher dem biblischen-apostolischen Normalfall als eine in der Fläche verwurzelte Volkskirche. Diese und weitere Thesen wurden beim Podium "Abschied von der Diaspora oder: Welche Mission haben wir?" während der Fachmesse und Ideenbörse "die pastorale!" in Magdeburg diskutiert.
 

Abschied von der Diaspora?

Vor über 60 Besuchern begrüßte Moderator Guido Erbich den Generalsekretär des Bonifatiuswerkes, Monsignore Georg Austen, mit einem Schmunzeln, in dem er sich auf den Titel der Diskussion bezog: "Wenn wir uns von der Diaspora verabschieden, dann bricht Ihnen beim Bonifatiuswerk das Geschäftsfeld weg." Monsignore Austen ging darauf ein und sprach von einem doppelten Ende der Diaspora. "Vielleicht gibt es ein Ende des Diaspora an Orten, wo es kaum noch Christen gibt", gab er zu bedenken. Das zweite Ende der Diaspora allerdings sehe er da, wo die Diasporakirche wieder aufblühe, wie etwa in nordischen Ländern, wo die Gemeinden stark wachsen. Dabei ging Austen auf die Glaubenshilfe des Diaspora-Hilfswerkes ein. "Glaubens- und Gemeinschaftsbildung  sind wichtig. Denn wenn sich Menschen für den Glauben entscheiden, brauchen sie eine Grundlage, auf der sie weiterleben." Gerade in den oft materiell armen Gemeinden seien die Glaubensbrüder und-schwestern auf solidarische Unterstützung angewiesen.

Glaubensbildung zeichnen sich etwa katholische Kindergärten in Ostdeutschland mitverantwortlich, die alle vom Bonifatiuswerk unterstützt werden. Austen hob auch die Religiösen Kinderwochen (RKW) als "großen Schatz" hervor, denn auch nichtreligiöse Kinder kommen so mit dem Glauben in Berührung. Um die RKW und weitere Impulse ging es den zahlreichen Wortmeldungen aus dem Publikum. Eindrücklich schilderte ein ehrenamtlicher Mitarbeiter, wie in seiner Gemeinde zwei Drittel der Kinder bei den RKW aus nichtreligiösen Familien kommen.
 

"Ökumene der dritten Art"

"Wir als Kirche stehen vor einem Umbruch, der mit der Reformation vergleichbar ist", sagte Eingangs Eberhard Tiefensee, 1997 bis 2018 Professor für Philosophie an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Erfurt. Seine These von der "Ökumene der dritten Art", also der Zusammenarbeit, Kooperation und einem ehrlichen Dialog mit nichtreligiösen Menschen im Osten Deutschlands, steht im Zentrum der pastorale! Tiefensee warb für ein Umdenken, bisher habe man versucht, die Menschen in die Kirche zu bringen. „Aber wir müssen uns auf die Menschen zu bewegen. Denn Mission bedeutet Sendung, es ist eine Zentrifugalkraft nach außen.“ Die Kirche müsse  sich vom Modell „Stadt auf dem Berg“ verabschieden.

Anne Rademacher, Leiterin des Seelsorgeamtes des Bistums Erfurt, erinnerte daran, dass Diaspora für die Nachfolger Jesu der Normalfall war. "Jesus redet immer nur über Diaspora." Sie sieht Chancen in der Diaspora im „Potenzial der Christen, die im Alltag stehen und Zeugnis geben. Denn sie sind dran an den Leiden und Problemen der anderen.“

Fachmesse rechnet mit 1.300 Besuchern

Im Fokus der Fachmesse und Ideenbörse „die pastorale!“ steht die Rolle der Christen in einem säkularen Umfeld. Die Veranstalter rechnen mit insgesamt 1.300 Teilnehmern. Nach zehn Jahren ist es die erste kirchlichen Fachmesse und Ideenbörse für die deutschen Bistümer, 2006 und 2009 gab bereits solche kirchliche Ideenbörsen im sächsischen Schmochtitz. Das Bonifatiuswerk unterstützt die Fachmesse auch finanziell.

(mn/pk)