ZUR PERSON
Die Diaspora-Aktion 2025 des Bonifatiuswerkes steht unter dem Leitwort: „Stärke, was dich trägt.“ Wofür steht dieses Leitwort? Was wollen Sie den Menschen damit auf den Weg geben?
Monsignore Austen: "Dass äußere Kraft innere Stärke braucht. Die diesjährige Diaspora-Aktion ist eine Einladung, sich bewusst als Einzelperson und in der Gemeinschaft Zeit zur Reflexion über die Fundamente des Lebens und des Glaubens zu nehmen. Das Leitwort ist eine ermutigende Aufforderung, die in all den Krisen und Ungleichzeitigkeiten, in all den Fragen und Unsicherheiten, die sich uns aktuell stellen, Halt geben kann. Äußere Kraft im persönlichen Leben, in der Kirche, in unseren Gemeinden braucht innere Stärke. Das ist unser Ansatz. „Stärke, was dich trägt.“ fordert uns alle gleichermaßen heraus, will uns aber zugleich ermutigen. Als Christen haben wir in Christus den Grund all unseren Vertrauens und die Quelle unserer Kraft. Aber steht uns das im oft stressigen Alltag wirklich als stärkende Gewissheit vor Augen? Lassen Sie uns also genau hinschauen auf das, was uns verbindet, und nicht nur auf das Trennende. Stärken werden uns nur tragfähige Beziehungen. "
Sie wollen mit dem Leitwort also Mut machen und Halt und Orientierung geben?
Austen: "Aktuell habe ich den Eindruck, dass wir in der Gesellschaft ständig polarisieren. Alles gegeneinander statt miteinander, wohlwissend, dass wir eine werteorientierte Positionierung brauchen. Statt Angst vor einer ungewissen Zukunft brauchen wir eine begründete Zuversicht, neuen Optimismus, Werteorientierung – und Menschen, die sich in die Mitte der Gesellschaft stellen, die ausgleichen und anpacken statt spalten und nur lamentieren. Der Glaube kann über Grenzen hinweg Verbindendes schaffen. Er gibt Halt, Kraft und Orientierung in dieser oftmals chaotischen Welt. Wir wollen die Menschen mit unserem Leitwort dazu einladen zu fragen: Was braucht es heute für morgen? Was ist das Stärkende, Tragende und Verbindende des christlichen Glaubens? Aber auch: Was müssen wir aus unserem reichen Schatz an Erfahrungen und wertvollen Traditionen stärken, damit sie heute Menschen in ihrer Existenz für morgen stärken.
In vielen deutschen Bistümern ist Diaspora längst Alltag. Wie reagiert das Bonifatiuswerk darauf?
Austen: "Wir leben in Deutschland schon längst in einer Diasporasituation. Diaspora hat allerdings verschiedene Gesichter. Es gibt auch eine Glaubensdiaspora, wo Menschen in katholisch geprägten Regionen im Glaubensalltag allein sind. Wenn wir auf die katholische Kirche in Nordeuropa schauen, sehen wir, dass es eine internationale junge Migrationskirche mit vielfach wenig finanziellen Möglichkeiten gibt, die den Menschen trotz der Schwierigkeiten eine Beheimatung sowie Halt und Orientierung bietet. Dort finden Sie ermutigende Beispiele. Diaspora ist kein Schreckgespenst, sondern Wirklichkeit, der wir uns mit allen Herausforderungen zu stellen haben. Als Hilfswerk für den Glauben und die Solidarität ist das Bonifatiuswerk seit jeher herausgefordert, katholische Christen in ökumenischer Verbundenheit zu unterstützen. Wir möchten Zugänge zu den Inhalten des christlichen Glaubens schaffen, sodass Christen ihr religiöses Handeln vor sich selbst und anderen begründen können. Unser Anliegen ist es zu befähigen, im Dialog mit Andersdenkenden und -glaubenden sowie Nichtglaubenden den eigenen Glauben zur Sprache zu bringen. Und natürlich auch durch unser karitatives Handeln zum Gemeinwohl und zum gesellschaftlichen Miteinander beizutragen."
Und wie schaffen wir das?
Austen: "Die entscheidende Frage ist doch: Was haben wir als Kirche dieser Welt als Mehrwert anzubieten? Wir bleiben oft beim zermürbenden „noch“ stehen. Wie viele kommen noch zur Kirche? Wie viele werden die Kirche noch verlassen? Was steht uns in Zukunft an Finanzen und hauptamtlichem Personal zur Verfügung? Die Zeichen sind deutlich und brauchen radikale, an die Wurzeln gehende Veränderungen. Aber bewegt euch mit dem nötigen Gottvertrauen. Ehrlich, weder zu perfekt noch zu bürokratisch oder zu verbürgerlicht. Geht hinaus zu den Menschen und zeigt draußen, was ihr drinnen glaubt. Dabei kommt es nicht auf die Anzahl an, sondern darauf, dass die Wenigen oder weniger Werdenden etwas Wertvolles zu sagen und aus dem Glauben heraus etwas für das Gemeinwohl in der Welt beizutragen haben. Das trägt uns und ist die Stärke aus dem gelebten Evangelium. "
Wo finden wir mutmachende Beispiele, die neue und zeitgerechte Wege einschlagen?
Austen: "Wir haben beispielsweise innovative und kreative Projekte mit dem bundesweiten Förderprogramm „Räume des Glaubens eröffnen“ in ganz Deutschland geschaffen. In diesen Projekten wurde sichtbar, wie Menschen auf beeindruckende Weise versuchen, die konkrete Lebenswelt von heute mit dem Evangelium zusammenzubringen. Von 2019 bis 2025 sind insgesamt 58 Projekte mit mehr als einer Million Euro in diesem Programm unterstützt sowie begleitet und evaluiert worden. Auch missionarische Personalstellen werden vom Bonifatiuswerk gefördert. Darüber hinaus ermöglichen wir jungen Menschen mit unserem Programm „Praktikum im Norden“ eine besondere Zeit in Nordeuropa und im Baltikum. Sie arbeiten in kirchlichen Institutionen mit und lernen die unterschiedlichen Gesichter unserer Kirche kennen. Und dann natürlich der „Bonifatiuspreis für missionarisches Handeln in Deutschland“, den wir dieses Jahr zum achten Mal ausgeschrieben haben. Insgesamt gab es 227 Bewerbungen von engagierten Menschen, Initiativen und Gemeinden – ein Rekord. Die Menschen, die sich unter dem Leitwort „Kurs setzen – neue Horizonte entdecken“ beworben haben, zeigen, wie sie Wegbegleiter und Mutmacher werden, um die Botschaft des Evangeliums zeitgerecht weiterzutragen. Während unserer Diaspora-Aktionseröffnung am 9. November in Köln werden wir die Preisträger auszeichnen."
Welche Projekte werden mit der Diaspora-Aktion 2025 unterstützt und was ist das Beispielprojekt der Diaspora-Aktion 2025?
Austen: "Dank unserer Spenderinnen und Spender können wir jährlich mehr als 1.000 Projekte in Deutschland, Nordeuropa und im Baltikum mit unseren verschiedenen Hilfsarten, der Bau-, Verkehrs-, Glaubens- und Kinder- und Jugendhilfe unterstützen. Die Solidarität ist in diesen Tagen in vielen Bereichen gefragt. Unser Beispielspendenprojekt für die Diaspora-Aktion 2025 ist „Klaras Küche“ im Hamburger Norden. Das ist wirklich eine Tafel für Leib und Seele. Alle Geschöpfe Gottes sind dort willkommen. Kopf und Herz des Projektes ist Schwester Klarissa Watermann OP. Menschen, die an den Rand unserer Gesellschaft gedrängt sind, bekommen dort Essen, Lebensmittel, Kleidung und erfahren Wertschätzung. 200 bis 250 Menschen werden von dem Team versorgt, das sich aus 100 ehrenamtlichen Helfern zusammensetzt. „Klaras Küche“ lebt von Geld- und Lebensmittelspenden. Wir als Bonifatiuswerk unterstützen die Einrichtung schon länger. Ihre Spende zum Diaspora-Sonntag hilft also, dass die Arbeit dort und in zahlreichen weiteren Projekten, die wir unterstützen, weitergeht.
Die Diaspora-Aktion wird am 9. November in Köln eröffnet. Am 16. November sammeln katholische Christinnen und Christen bundesweit für die Katholiken in Nord- und Ostdeutschland, in Nordeuropa und im Baltikum. Welches Zeichen geht davon aus?
Austen: "Es ist ein Zeichen, dass die Weltkirche in ihrer Vielfältigkeit und Einheit die aktuellen Sorgen und Nöte der Menschen wahrnimmt und zusammenrückt. Es ist ein starkes Zeichen der Gemeinschaft im Glauben und im Handeln – gerade auch gegenüber Menschen, die in einer großen Vereinzelung oder in kleinen Gemeinden leben. Es ist wertvoll, dass wir entdecken, wie uns der Glaube Kraft geben kann, diese an viele Stellen brennende Welt mitgestalten zu können. Die Menschen in der Diaspora merken in diesen Tagen, dass sie nicht allein sind und dass wir verlässlich an ihrer Seite stehen. Ebenso ist es wichtig, dass wir miteinander und voneinander lernen, wie das Evangelium heute zeitgerecht in der Welt Gestalt gewinnt. Wir wünschen uns, dass uns viele Menschen am Diaspora-Sonntag ihre Solidarität mit den Christinnen und Christen in unseren Fördergebieten zeigen. Nur so können wir als Hilfswerk den Projekten in den Diaspora-Regionen weiterhin finanziell, ideell und in der verbindenden Gebetsgemeinschaft als Partner zur Seite stehen.
Das Interview führte Theresa Meier.
weitere Interviews:
Interview zur Diaspora-Aktion 2025
Interview zur Erstkommunion 2025
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Georg Austen wuchs in Brenken, einem Ortsteil der ostwestfälischen Stadt Büren, auf. Nach seinem Abitur im Jahr 1978 am Mauritius Gymnasium in Büren studierte er Katholische Theologie in Paderborn und München. Anschließend absolvierte er in den Jahren 1985 und 1986 sein Diakonat in der Gemeinde St. Johannes Baptist und in der Justizvollzugsanstalt in Herford. Am 16. Mai 1986 empfing er in Paderborn das Sakrament der Priesterweihe. Anschließend war er als Vikar in der Pfarrei St. Marien in Fröndenberg, als Pfarradministrator in der Kirchengemeinde St. Johannes Baptist in Siddinghausen und in der Kirchengemeinde St. Michael in Weine eingesetzt.
Zudem war er Diözesanpräses der Katholischen Landjugendbewegung und von 1996 bis 2002 Diözesanseelsorger des Bundes der Deutschen Katholischen Jugend im Erzbistum Paderborn sowie Studentenpfarrer und Leiter der Katholischen Hochschulgemeinde in Paderborn.
Als Sekretär des XX. Weltjugendtages der Deutschen Bischofskonferenz in Köln war Austen in den Jahren 2002 bis Juli 2006 maßgeblich an der Vorbereitung des katholischen Großereignisses im Jahr 2005 beteiligt. Er verantwortete die pastorale Vor- und Nachbereitung des Weltjugendtages, die Tage der Begegnung mit dem Tag des sozialen Engagements in allen deutschen (Erz-)Bistümern, das Kultur- und Jugendfestival beim Weltjugendtag in Köln sowie den Pilgerweg des Weltjugendtagskreuzes durch Europa und Deutschland.
Im Anschluss an den XX. Weltjugendtag verbrachte Austen für persönliche Fortbildungen einige Monate in New York City und in Schweden. Nach seiner Rückkehr wurde er im selben Jahr Geschäftsführer der Steuerungsgruppe "Perspektive 2014" im Erzbistum Paderborn.
Seit März 2008 ist Georg Austen Generalsekretär und Hauptgeschäftsführer des Bonifatiuswerkes der deutschen Katholiken sowie Geschäftsführer des Diaspora-Kommissariates der deutschen Bischöfe/Diasporahilfe der Priester. Seine zweite Amtszeit begann am 1. März 2014. Im Jahr 2019 wurde Austen für weitere sechs Jahre im Amt bestätigt. Die dritte Amtszeit begann am 1. März 2020.
Im Mai 2008 ernannte Papst Papst Benedikt XVI. Austen zum päpstlichen Ehrenkaplan (Monsignore) und berief ihn im Dezember 2011 ins Konsultoren-Kollegium des Päpstlichen Rates zur Förderung der Neuevangelisierung. Austen ist Berater in der Unterkommission für Missionsfragen der Kommission Weltkirche der Deutschen Bischofskonferenz, Mitglied in der Konferenz Weltkirche sowie im Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK).
Austen engagiert sich für den Dialog und die solidarische Zusammenarbeit in der Weltkirche sowie für Randgruppen, beispielsweise in der Gefängnisarbeit, und setzt sich für junge Menschen ein. Hierfür gründete er 2011 die „Georg Austen Stiftung Solidarität“ mit der Zielsetzung Werte zu vermitteln, den Glauben zu entdecken und die Persönlichkeit zu fördern. Durch entsprechende Projektförderung soll Kindern und Jugendlichen geholfen werden, ihr Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten zu stärken, Lebenskrisen zu überwinden, den Sinn für solidarisches Handeln zu fördern und nicht zuletzt, eine Orientierung und Zuversicht aus dem christlichen Glauben zu erfahren.
Im Heiligen Jahr der Barmherzigkeit ernannte Papst Franziskus am 10. Februar 2016 Austen zum "Missionar der Barmherzigkeit".
Austen ist es ein wichtiges Anliegen – in Kooperation mit nationalen und internationalen Künstlern und Veranstaltern von Großereignissen – Berührungspunkte mit Themen der Kunst, der Kultur und der Kirche zu schaffen, um so auch einen Dialog mit Andersdenkenden und -glaubenden anzuregen. So konnten bereits bundesweite Konzertreihen, Benefizveranstaltungen, Buchprojekte und Kunstausstellungen organisiert werden. Die Erlöse kommen sozial-caritativen Projekten zugute. In den Jahren 2017 und 2018 konnten zwei Kunstausstellungen unter dem Titel "Udos 10 Gebote" mit Bildern des Sängers Udo Lindenberg in der Gaukirche in Paderborn und in der Überwasserkirche in Münster realisiert werden. In Kooperation mit Michael Patrick Kelly kam es zu zwei Konzertreihen ("Agape-Tour" im Jahr 2012 und "Ruah-Tour" im Jahr 2016) durch mehrere Kirchen und Dome im deutschsprachigen Raum. Außerdem gab es im Jahr 2022 eine gemeinsame Ausstellung vom Bonifatiuswerk der deutschen Katholiken und Michael Patrick Kelly in der Paderborner Gaukirche. Gezeigt wurden die Friedensglocke #Peacebell, die Kelly aus Kriegsschrott geschmiedet hat sowie Fotografien und gemalte Bilder. Im Zuge der Nikolausaktion des Bonifatiuswerkes unter dem Titel "Weihnachtsmannfreien Zone" gibt es seit vielen Jahren eine enge Zusammenarbeit mit der Sängerin Maite Kelly. Zu weiteren Kooperationen kam es unter anderem mit der Sängerin Kathy Kelly, dem Tenor Juan del Bosco und der Gospelsängerin Carla A. Harris aus New York, der Sängerin Judy Bailey, der Straßenmusikerin Simone Oberstein und der Rügener Künstlerin Sylvia Vandermeer.
Im April 2023 berief ihn Papst Franziskus als Konsultor (Berater) in das neugegründete Dikasterium für die Evangelisierung in der römischen Kurie, wo Georg Austen in der Abteilung für Grundfragen der Evangelisierung in der Welt tätig werden soll.
Als Generalsekretär des Bonifatiuswerkes ist es mein Anliegen …
… gemeinsam mit allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dazu beizutragen, Gott in der Welt einen Ort zu sichern und dem Glauben an ihn Räume zu öffnen. Denn: Keiner soll alleine glauben.
Unter "Diaspora" verstehe ich …
… eine Kirche von innen für draußen, eine Kirche die alle Christinnen und Christen – egal wo – in den Blick nimmt, damit sie auskunfts- und dialogfähig gegenüber Andersdenkenden und –glaubenden sind.
Missionare des 21. Jahrhunderts – das sind für mich …
… Menschen, die aus dem christlichen Geist heraus heraus die Welt aktiv mitgestalten und für ihre Überzeugungen einstehen, aber auch Grenzgänger und Wegbereiter sind.
Wenn ich an die Kirche von morgen denke, dann …
… hoffe ich, dass bei allen Veränderungen und Strukturfragen immer die Pastoral und die Sorge um die Menschen im Vordergrund stehen und damit die Botschaft Jesu als „Frohe Botschaft“ erfahren wird. Eine Kirche die als Weltkirche denkt und sich für die Bewahrung der Schöpfung, Gerechtigkeit und Menschenwürde wie für den Frieden einsetzt.
Meine liebste Bibelstelle lautet…
… „Wo der Geist des Herrn wirkt, da ist Freiheit.“ (2 Kor 3,17).
Eigenschaften, die ich besonders schätze, sind…
…Verlässlichkeit und Ehrlichkeit.
Sprachlos machen mich…
… Kleingläubigkeit, Unflexibilität und Situationen, die erdrückend und belastend für Menschen sind und die auf den ersten Blick nicht verändert werden können.
Ich könnte nicht leben ohne…
… Beziehungen zu lieben Menschen und ohne eine Orientierung aus dem Glauben für mein Leben.