PRIOR JOEL PREDIGT ÜBER VERTRAUEN UND SICHTBARE KIRCHE

Bonifatiuswerk feiert beim Katholikentag einen Gottesdienst in der Leonhardskirche

Im Gottesdienst spendeten sich die Menschen einen Friedensgruß, indem sie die Hände zum Himmeln reckten und sich gegenseitig Frieden wünschten. (Foto: Matthias Band)
Im Gottesdienst spendeten sich die Menschen einen Friedensgruß, indem sie die Hände zum Himmeln reckten und sich gegenseitig Frieden wünschten. (Foto: Matthias Band)

28.05.2022

Mit einem Gottesdienst in der Leonhardskirche hat das Bonifatiuswerk sein Programm am dritten Tag des 102. Katholikentags in Stuttgart eröffnet. Der Gottesdienst, der von Bonifatius-Generalsekretär Monsignore Georg Austen, Pfarrer Hermann Hülsmann vom Ansgar-Werk Hamburg/Osnabrück und Prior Joël aus dem norwegischen Zisterzienserkloster Munkeby zelebriert wurde, stand unter dem Leitwort "Einer trage der anderen Last (Galater 6,2) – Eine Kirche des Teilens in unsicheren Zeiten". Dabei ging es unter anderem um die Frage, ob es überhaupt funktioniert, die Last anderer zu tragen, das Leben anderer zu teilen, was somit auch das Motto des 102. Katholikentags aufgriff.
 

"Glauben und Leben teilen, sorgt dafür, dass wir voneinander lernen."

Den Gottesdienst in der evangelischen Kirche wertete Monsignore Georg Austen als Zeichen der ökumenischen Verbundenheit und als "gutes Zeichen der Verbundenheit mit den Menschen in der Diaspora in Nordeuropa". Wir benötigten konkrete Zeichen der Solidarität, wie sie etwa in den Projekten des Bonifatiuswerkes sichtbar würden, sagte der Generalsekretär des katholischen Hilfswerkes. Sie sollen den Menschen neue Hoffnung schenken, die Herausforderungen des Lebens anzunehmen und zu bewältigen. Es gehe darum, Leben zu teilen – und zwar an den unterschiedlichsten Orten. "Glauben und Leben teilen, sorgt dafür, dass wir voneinander lernen. Miteinander und voneinander lernen, dafür brauchen wir Gottes Hilfe", sagte Monsignore Austen. Ein solches Netzwerk trage uns, nicht nur im Äußeren, sondern auch im Inneren.
 

Ruf aus Norwegen führte zur Kloster-Neugründung

Die Predigt hielt Prior Joël aus dem norwegischen Zisterzienserkloster Munkeby. Musikalisch begleitet wurde der Gottesdienst von der international bekannten Sängerin Judy Bailey und ihrer Band. Prior Joël ging in seiner Predigt auf die Neugründung des Zisterzienserklosters im norwegischen Munkeby ein. "Es war auch kein Zufall, dass sich Cîteaux 2009 entschied, vier Brüder ausgerechnet nach Norwegen zu schicken, vielmehr war der Ruf, der aus diesem Land kam, so stark, dass wir diese Neugründung in Nordeuropa wagen wollten. Dieser Ruf kam von den Menschen aus der Umgebung von Munkeby, und zwar nicht nur von der dortigen katholischen Kirche, die sehr lebendig ist und wächst, sondern ebenso von den Lutheranern, die unter den norwegischen Christen die Mehrheit bilden", erläuterte Prior Joël.
 

Nähe zu den Menschen baut das Vertrauen wieder auf

Auch wenn die Kirche in Westeuropa schrumpfe, dürfe sie nicht aufhören, neu zu gründen und das Leben weiterzugeben. Dieses Leben habe sie nicht aus ihr selbst, sondern von Christus, dessen Dienerin sie ist. Prior Joël ging zudem auf die Regel des Heiligen Benedikt ein, demnach man allen Menschen mit Achtung begegnen sollte, besonders wenn sie arm sind. "Diese Nähe zu ganz normalen Menschen in den unterschiedlichsten Phasen ihres Lebens ist unsere Gelegenheit, das Vertrauen wiederaufzubauen, das in unserer Zeit an so vielen Orten verloren gegangen ist", betonte Prior Joël. "Manchmal, wenn ich auf der Baustelle unserer Klosterkirche die Wände sehe, die bereits stehen, frage ich mich, ob die Kirche nicht zu hoch wird, ob nicht alles eine Nummer zu groß wirkt. Aber ich glaube, dass das eine Versuchung ist, die Versuchung nämlich, verschwinden zu wollen. Wahrscheinlich gibt es Kräfte in unseren säkularisierten Gesellschaften, die wollen, dass wir verschwinden. Aber wir müssen es wagen, sichtbar zu sein. Nicht um uns selbst vorzuzeigen oder als Nabelbeschauer hervorzustehen, sondern um auf einen anderen hinzuweisen, auf Jesus Christus. Er braucht uns, um anwesend zu bleiben, damit er die Welt erlösen kann. Dazu beizutragen ist unser höchstes Ziel, das wir nie vergessen dürfen."

(bam)