RÄUME DES GLAUBENS ERÖFFNEN
23.09.2021
"Lazarus-Dienste", heißt das Hilfsangebot der katholische Pfarrei St. Bernhard Stralsund-Rügen-Demmin in Kooperation mit dem Caritas-Hospizdienst und dem Erzbistum Berlin. Vom Bonifatiuswerk der deutschen Katholiken wird das Projekt mit dem bundesweiten Förderprogramm "Räume des Glaubens eröffnen" für zwei Jahre mit 17.900 Euro finanziell unterstützt.
Der 67-jährige Roland Steinfurth ist einer von rund 80 Ehrenamtlichen, die Menschen in schwierigen Lebenssituationen, wie schwere Krankheit, dem Tod von Angehörigen oder physische und psychische Belastungssituationen, unterstützend zur Seite stehen. Unabhängig von Religion oder Weltanschauung. "Durch Erfahrungen aus der Caritas haben wir oft von bedürftigen Menschen gehört, die bis es zur Unterstützung durch staatliche Stellen, auf sich allein gestellt waren", berichtet Martina Steinfurth, die Leiterin der Lazarus-Dienste.
Wenn beispielsweise eine ältere Person nach einem Schlaganfall aus dem Krankenhaus nach Hause kommt und noch keine Pflegestufe hat, müsse sich jemand um sie kümmern. "Bis der Pflegedienst organisiert ist und Angehörige ausgemacht werden, springen wir ein", sagt die 56-jährige Sozialarbeiterin. Oder wie im Fall der Kühnels, wenn Menschen ins Altersheim umziehen, sollen sie nicht den Anschluss an die Pfarrei verlieren. "Das ist wie ein langer Arm der Gemeinde", sagt Adalbert Kühnel, dessen Frau Martha selbst früher die üblichen Senioren-Geburtstagsbesuche gemacht hat. "Die Gemeinde ist da und steht hinter uns."
Doch es sind nicht nur Gemeindemitglieder, die Hilfe in Anspruch nehmen können, längst sind die Lazarus-Dienste stadtweit bekannt und werden zum großen Teil von Konfessionslosen gern genutzt, weiß Steinfurth. Nur vier von hundert Stralsundern seien Katholiken, zehn Prozent evangelisch, zählt Johannes Schaan, Pfarrer von St. Bernhard auf. Extreme Diaspora. Die Lazarus-Dienste seiner Gemeinde seien "übergemeindlich und überkirchlich", sagt der 41-Jährige. "Es sind Menschen dabei, die die Not anderer sehen und sagen, da will ich helfen". Und auch wenn unter den Ehrenamtlichen die meisten nicht zur Gemeinde gehören oder gar religiös gebunden sind, sei das Engagement gelebter Glaube, glaubt der Pfarrer. "Da drückt sich der Glaube praktisch im Leben aus."
Ein wenig Glauben bringen die Lazarus-Dienste in das Leben von Mandy Sternkopf, wenn auch nur unregelmäßig. "Ich bin nicht gläubig und finde es gut, dass es sowas für Menschen wie mich gibt", sagt sie. Etwa einmal im Monat kommt Martina Steinfurth bei der 54-Jährigen in dem Parterrezimmer im Betreuten-Wohnen-Komplex vorbei. "Wir haben oft über Handy Kontakt, ich kann mich immer melden", sagt Sternkopf. Die Gespräche kreisen über alles, was ihr auf dem Herz liegt, auch um den Tod. "Meine Prognose, lange zu leben, geht nach unten", sagt Sternkopf. Sie leidet seit drei Jahren an Krebs. Umso mehr freut sie sich über den Besuch der Lazarus-Dienste. "Ich blühe dann auf."
Seit zwei Jahren gibt es den Besuchsdienst für alleinlebende und vereinsamte Menschen und Beistand in schwierigen Lagen. "Wir haben damals in der Gemeinde gesagt, die Kirche ist nur authentisch nach außen, wenn man sie spürt", erinnert sich Martina Steinfurth an die Gründung. Im Gottesdienst zur Berufung der Lazarus-Dienste wurde ein Krug symbolhaft benutzt, der in Scherben zerspringt. "Wir versuchen diese Scherben aufzusammeln und soweit es geht zu heilen," sagt sie. Jenes Aufsammeln und Heilen beginnt für die Bedürftigen mit der Wahl der Telefonnummer der Lazarus-Dienste. Am anderen Ende sitzen Ehrenamtliche, die abwechselnd für den Erstkontakt zur Verfügung stehen.
Rund 400 Mal im Jahr klingelt das Telefon der Lazarus-Dienste. "Manche brauche nur jemanden, der am anderen Ende zuhört", sagt Martina Steinfurth. Anderen wird mit Hausbesuchen geholfen oder an weitere Stellen und Angebote, wie Psychologen oder Trauerbegleitung, weitervermittelt. An der Heilige-Dreifaltigkeit-Kirche in Stralsund gibt es mit dem Begegnungscafé "Caritasse" zudem eine Anlaufstelle und Treffpunkt für Menschen, die in Kontakt mit den Ehrenamtlichen kommen möchten. Gleich nebenan ist das Pfarrhaus von Pfarrer Schaan. Auch für ihn als Seelsorger sind die Lazarus-Dienste eine Entlastung, "wenn ich alle Anrufe annehmen müsste", sagt Schaan. Martina Steinfurth pflichtet bei. "Dafür sind wir doch da, mit unserer tätigen Nächstenliebe."
(Markus Nowak)
Das Förderprogramm „Räume des Glaubens eröffnen“ ist ein Projekt des Bonifatiuswerks der deutschen Katholiken in Kooperation mit dem Zentrum für angewandte Pastoralforschung (zap). Mit dem Förderprogramm „Räume des Glaubens eröffnen“ unterstützt es innovative christliche Projekte, die Lebenswelt und Evangelium zusammenbringen. Dafür bietet das Förderprogramm nicht nur eine finanzielle Förderung, sondern auch eine begleitende Evaluation und eine Vernetzung mit anderen missionarischen Initiativen.