"GLAUBE GEHT UNTER DIE HAUT"
07.01.2025
Tattoos und Glaube sind kein Widerspruch. Im Gegenteil: Oft drücken Tätowierungen aus, worauf Menschen vertrauen, was sie glauben und was ihnen wichtig ist. Und genau um das ging es kurz vor Weihnachten in der "Ziegelhütte" in Bretten-Neibsheim. Unter dem Motto "Glaube geht unter die Haut" hatten das katholische Dekanat Bruchsal, die Headbangers‘ Church Obergrombach und das diözesane Bonifatiuswerk Freiburg in die Kneipe eingeladen. Menschen konnten von ihren Tattoo-Geschichten erzählen und sich segnen lassen. Vorausgegangen waren dem Abend zwei Vorträge zum Thema "Tattoo und Religion" anlässlich einer Ausstellung in Bruchsal.
Bereits die stimmungsvoll-adventliche Atmosphäre in der rustikalen Ziegelhütte machte deutlich: es geht um Authentizität und Tiefe. Pastoralreferent Mathias Fuchs, einer der Initiatoren, führte durch den Abend und zeigte, wie sich Glaube und Tattoos verbinden können: "Wenn sich Menschen etwas tätowieren lassen, zeigen sie, dass ihnen etwas heilig ist", führte Fuchs in den Abend ein. Der experimentierfreudige Gefängnisseelsorger und Mitarbeiter in der Kirchengemeinde Bruchsal Michaelsberg hat in diesem Jahr zusammen mit Bettina Pfannendörfer die Headbangers‘ Church ins Leben gerufen – eine christliche Gemeinschaft für Hard Rock und Metal Fans.
Der Abend war von Livemusik gerahmt. Dazwischen gab es immer wieder Geschichten vom Leben und Glauben zu hören. Von Gästen wie Holger zum Beispiel: "Tiefgründige Menschen haben Tattoos und sind auf der Suche." Selbst tätowiert, freute er sich über die Veranstaltung: die beiden Welten von Glaube und Tattoos zu sehen, zu verbinden und ernst zu nehmen, sei großartig und spreche ihm aus der Seele.
Dass Glaube und Tattoos zusammenhängen, zeigt schon die Geschichte, erklärte der Theologe und Schriftsteller Paul-Henri Campbell. Der Autor des Buches "Tattoo und Religion. Die bunten Kathedralen des Selbst" war eigens aus Wien angereist, um an dem Abend teilzunehmen. Zuvor hatte er bereits zwei faszinierende Vorträge vor Schülerinnen und Schülern des Sancta Maria gehalten, der Bruchsaler Fachschule für Sozialpädagogik. Dort befindet sich bis Ende Januar 2025 eine Ausstellung mit Tattoo-Kunstwerken aus seinem Buch.
Campbell erinnerte daran, dass Tätowierungen als Glaubenszeugnisse eine jahrhundertealte Tradition haben: so kenne man zum Beispiel Pilger-Tattoos aus Jerusalem oder Loreto; im Mittelalter haben sich Mönchen unter anderem tätowieren lassen, um die Passion Christi nachzuvollziehen und den unauslöschlichen Charakter der Christus-Nachfolge sichtbar zu machen. "Die Tätowierung ist eine der ältesten sakralen Kunstformen", erläuterte Campbell. Beliebte Motive seien heute unter anderem Kreuze, Fische oder auch die Gottesmutter.
Dass es beim Tätowieren durchaus auch Brücken zur Seelsorge gibt, berichtete die Brettener Tätowiererin Edvina Keskinovic-Wittmannn aus ihrem Alltag: in ihrem Beruf gehe es nicht ohne Vertrauen. Und gut tätowieren könne nur, wer ein offenes Ohr für die existenziellen Geschichten der Kunden habe.
Nach all den Wortbeiträgen luden die Veranstalter des Abends die Gäste dazu ein, sich segnen zu lassen – jede und jeder mit seinem eigenen, ganz persönlichen Tattoo. Für Klinikseelsorgerin und Gemeindereferentin Ute Jenisch einer der bewegendsten Momente des Abends: "Kirche und Kneipe sind keine Widersprüche, im Gegenteil: ich durfte sehr viele bewegende Gespräche führen und ganz persönliche Segensworte zusagen. Bei der einen erinnern sie an den Verlust eines lieben Menschen; beim anderen erzählen die Tattoos vom Leben – letztlich davon, was einem wirklich wichtig ist."
Ein Höhepunkt des Abends war schließlich die Verlosung eines Tattoos – live gestochen von Tätowiererin Edvina. Kathrin, die Gewinnerin, ließ sich direkt vor Ort den Schriftzug "Faith" auf ihr Handgelenk tätowieren. "Mein Glaube hat mir mein Leben gerettet", erzählte sie, "und dieses Tattoo wird mich daran erinnern, dass da etwas Größeres ist, das mich trägt."
"Mit solchen Veranstaltungen zeigen wir als katholische Kirche, dass wir offen sind für die Lebensrealitäten der Menschen und nach neuen Wegen suchen, um den Glauben ins Gespräch zu bringen", resümiert Dekanatsreferent Thomas Macherauch das Projekt mit Ausstellung, Vortrag und Segnung in der Kneipe. Zusammen mit Dekan Lukas Glocker hat er die Veranstaltungen vonseiten des Dekanats ermöglicht. Und Tobias Aldinger, Mitorganisator vom Diözesanen Bonifatiuswerk der Erzdiözese Freiburg, fügt hinzu: "Gott ist schon lange bei den Menschen, bevor die Kirche in eine Kneipe kommt. Gerade wenn wir rausgehen und etwas wagen, unser Herz öffnen und unseren Glauben nicht verschweigen, dann passieren lebendige Begegnungen zwischen den Menschen und mit Gott."
(Erzdiözese Freiburg)