WARUM DIE KATHOLIKEN STOCKHOLMS GRÖSSTE KIRCHE GEKAUFT HABEN

Freundliche Übernahme

Die St.-Johannis-Kirche im Zentrum von Stockholm, die nun katholisch wird. (Foto: Theresa Meier)
Die St.-Johannis-Kirche im Zentrum von Stockholm, die nun katholisch wird. (Foto: Theresa Meier)

01.07.2025

Dass die Johanniskirche auf dem Stockholmer Brunkeberg jetzt offiziell katholisch wird, ist von großer Symbolkraft. Gleichzeitig zeigt der Ankauf der bisher protestantischen Kirche, wie gut die Ökumene vor Ort funktioniert.

Wie ein Fingerzeig ragt der Turm der Sankt Johannes Kyrka in den Himmel, 70 Meter ist er hoch und schon von weitem zu sehen. Die imposante neogotische Kirche in Backsteinoptik zählt zu den Wahrzeichen der schwedischen Hauptstadt, viele Menschen haben ein emotionales Verhältnis zu dem Bauwerk. Dass der Kauf des Gotteshauses durch die katholische Kirche von der Schwedischen Kirche, also der evangelisch-lutherischen Kirche, jetzt endlich perfekt ist, ist dementsprechend symbolisch aufgeladen. Der Kauf der Kirche sowie weitere Renovierungsarbeiten am Dach werden außerdem von der Bauhilfe des Bonifatiuswerkes mit 40.000 Euro gefördert.
 

Messen auf Ukrainisch

Das weiß natürlich auch Pascal René Lung, der als Generalvikar des Bistums Stockholm den Übernahmeprozess von der Idee bis zur Vollendung über mehrere Jahre begleitet hat. "Wir sind der Schwedischen Kirche wirklich sehr dankbar", sagt der Dominikanermönch. Und wenn es zuletzt immer wieder auch kritische Stimmen zur Umwidmung des für die Stadt so wichtigen Sakralbaus gegeben habe, stammten diese vor allem aus den Reihen der Politik und Gesellschaft, kaum jedoch aus evangelischen Kreisen. Die Vorsitzenden des zuständigen evangelischen Pfarrgemeinderates äußerten ihre Freude über den Verkauf, nannten ihn gar ein "Beispiel dafür, wie Vertrauen und Toleranz in einer polarisierten Welt aufgebaut werden können". 

Tatsächlich wird die vom Architekten Carl Möller entworfene und 1890 vollendete Johanniskirche schon seit langem überwiegend katholisch genutzt. Denn während die Schwedische Kirche seit Jahrzehnten kontinuierlich schrumpft – um etwa ein Prozent pro Jahr, wächst die kleine katholische Minderheitenkirche seit Jahren ebenso kontinuierlich – um etwa drei Prozent pro Jahr. Die Schwedische Kirche hat die wichtigsten Gemeindeaktivitäten längst in eine andere Innenstadtkirche verlagert, die katholischen Gemeinden Stockholms sind hingegen permanent auf der Suche nach mehr Raum für ihre Gläubigen. Und weil beide Kirchen über die Jahre hinweg gute Beziehungen zueinander aufgebaut und vertieft haben sowie die Johanniskirche immerhin Platz für 900 Besucherinnen und Besucher bietet, genießt die katholische Kirche hier schon seit 1978 evangelische Gastfreundschaft. Seitdem zahlt die Diözese Miete dafür, dass sich hier die Polnisch Katholische Mission ansiedeln konnte und Sonntag für Sonntag einen Gottesdienst in ihrer Sprache feiert. Seit Putins Angriff auf die Ukraine sind zwei weitere Messen auf Ukrainisch hinzugekommen. "Und wenn Sankt Johannes ganz katholisch geworden ist, wollen wir noch einen weiteren Sonntagsgottesdienst auf Ge’ez anbieten", erklärt Lung und meint das Altäthiopische, das auch Christen aus Eritrea bis heute als Kirchensprache benutzen. Schon bisher gibt es in Stockholm samstags drei Gottesdienste auf Englisch, nach vollzogener Übergabe sollen weitere auf Schwedisch folgen.  

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"Der Kirchenkaffee ist hier im Norden sozusagen unser achtes Sakrament."

Schon vor sechs Jahren kamen die Verantwortlichen der Schwedischen Kirche erstmals auf den Stockholmer Bischof Anders Kardinal Arborelius und seinen Generalvikar Lung zu und boten Sankt Johannes zum Kauf an. "Wir hätten gerne angenommen, aber die Unterhaltskosten waren schlicht zu hoch", erinnert sich Lung. Immer wieder fragten die Protestanten an, immer wieder mussten die Katholiken dankend ablehnen. Unterdessen stellte sich heraus, dass der Turm marode war und dringend erneuert werden musste. Die Schwedische Kirche investierte knapp fünfeinhalb Millionen Euro (60 Millionen Kronen) in Reparaturarbeiten und baute für weitere viereinhalb (50 Millionen Kronen) Euro einen Gemeindesaal an. "Solche Säle sind für uns Katholiken in Skandinavien immens wichtig, denn hier trifft sich die Gemeinde nach der Messe zum ausführlichen Kirchenkaffee", so Lung. "Der Kirchenkaffee ist hier im Norden sozusagen unser achtes Sakrament."

So wollten die katholischen Entscheidungsträger nicht ein weiteres Mal nein sagen – und nahmen das erneute Angebot der evangelischen Kollegen nach Sanierung und Anbau an. Bereits im vergangenen Dezember legten die beiden Kirchen dann fest, dass die Katholiken die Kirche für Null Euro und den Gemeindesaal für umgerechnet 500.000 Euro von den Lutheranern übernehmen sollten. Weil aber die Schwedische Kirche erst im Jahr 2000 ihren Status als Staatskirche auf komplexer juristischer Grundlage aufgegeben hatte und die Behörden beim Inventar teilweise weiter Mitsprachrecht haben und entsprechende Genehmigungen erteilen mussten, verzögerte sich der Prozess der Übergabe weiter. Nun aber steht einer Inbesitznahme durch die katholische Kirche endlich nichts mehr im Wege. "Wir wollen sie am 19. Oktober mit einem Ökumenischen Gottesdienst und gemeinsamen Gebet vollziehen", erklärt der Generalvikar.

Bis dahin werde auch der Innenraum des Gotteshauses "katholisch angepasst" sein, wie der Ordensmann weiter erläutert. So solle etwa der Taufstein in die Taufkapelle neben dem Altarraum geräumt und ein Ambo aufgestellt werden; die kleine Orgel im vorderen Mittelschiff solle umgestellt und zwei Beichtstühle im hinteren Teil der Kirche eingerichtet werden.

Weil die laufenden Betriebskosten für Licht, Wasser, Versicherungen etc. mit rund 108.000 Euro (1,2 Millionen Kronen) über den bisherigen Mietabgaben von etwa 90.300 Euro (1 Millionen Kronen) liegen, werden wie bisher schon die Protestanten auch die Katholiken das große Gotteshaus immer wieder vermieten müssen, meint Lung, für fromme Veranstaltungen rund um das in Schweden äußerst populäre Fest der Heiligen Lucia im Dezember zum Beispiel, für Trauerfeiern für Prominente aus Politik und Gesellschaft und ähnliche Anlässe. Für die anstehende umfassende Renovierung des Kirchendachs spare das Bistum bereits seit zwei Jahren, sagt Lung und darf dabei auf Finanzhilfe vom Bonifatiuswerk der deutschen Katholiken zählen, das auch den Kauf der Kirche finanziell unterstützt hat. Jetzt aber überwiegt erst einmal die Freude, dass auf einer der höchsten Erhebungen Stockholms bald eine katholische Kirche über die Stadt wachen wird. Dass sich Sankt Johannes mit seinem wunderschönen Interieur besonders gut für Trauungen eignet, weiß natürlich auch Pascal René Lung. "Wir haben jetzt schon Anmeldungen für nächstes Jahr." Für Hochzeiten nach katholischem Ritus in der dann auch offiziell katholischen Kirche.    

(Hilde Regeniter/domradio)