BEITRAG DER RELIGIONEN ZUM FRIEDENSPROJEKT EUROPA
23.11.2018
Ohne Religion ist Europa undenkbar und die Religionen mit ihren vielfältigen Traditionen werden in Zukunft gebraucht, um das "Friedensprojekt Europa" am Leben zu erhalten. Das ist das Ergebnis des dreitägigen Europakongresses in Paderborn, der am Freitag mit einem Dialog von Vertretern aus Religion, Politik und Wissenschaft zu Ende ging.
Er nehme aus dem Europakongress die Überzeugung mit, dass sich die Kirchen auch in einer Zeit des "Abbruchs und Umbruchs von Volkskirchen" als aktiver Teil der Gesellschaft verstehen müssten, dies zeigt sich gerade auch in den Aufbrüchen kleiner internationaler Diasporagemeinden in Nordeuropa und anderswo, die eine vitale Kraft entwickeln und den Menschen eine Heimat im Glauben geben", sagte Monsignore Georg Austen zum Abschluss der Veranstaltung. Kirche sei in der Gesellschaft zur Mitgestaltung aufgefordert. Austen ist Generalsekretär des Bonifatiuswerkes der deutschen Katholiken, das zusammen mit der Katholischen Hochschule NRW (KatHO) zu dem Europakongress eingeladen hatte.
Professor Dr. Hans Hobelsberger, Rektor der KatHO, definierte die Bedingungen, unter denen das Engagement der Kirchen stattfinden müsse. Der Kongress habe gezeigt, so Hobelsberger, dass es Geduld und Demut brauche, um Unterschiede zu anderen Religionen, "nicht nur zuzulassen, sondern auch anzuerkennen."
Diese Werbung für eine Öffnung der Religionen traf auf dem prominent besetzten Podium auf Zustimmung. Annette Schavan, ehemalige Botschafterin im Vatikan, hat aus nächster Nähe erlebt, wie Papst Franziskus eine Richtungsänderung der Kirche einfordert: Die Christen sollen, so der Papst, an die Peripherie der Kirche und der Gesellschaft gehen. Sich konkret für Andere einzusetzen, bedeute auch, dass sich Europa nicht von Flüchtlingen abschotten dürfe, sagte Schavan unter dem Beifall der Kongressteilnehmer.
Professor Dr. Martin Hein, Bischof der evangelischen Landeskirche von Kurhessen-Waldeck, ist mit dem Papst einer Meinung, dass jeglicher Streit um die Wahrheit des Glaubens den Blick auf die wichtigen Aufgaben der Gegenwart verstellt. Er selbst hatte noch vor einigen Jahren wütende Proteste erlebt, als er die Meinung äußerte, verschiedene Religionen könnten an denselben Gott glauben.
In den Kirchen gilt der exklusive Wahrheitsanspruch schon lange nicht mehr in dieser Unbedingtheit. Auch die Muslime gehen davon aus, dass sich Gott auch Andersgläubigen offenbart, sagte Aiman A. Mazyek, Vorsitzender des Zentralrates der Muslime in Deutschland. So sei es auch in der jüdischen Religion, bestätigte Rabbi Dr. Walter Rothschild, der frühere Landesrabbiner von Schleswig-Holstein.
Etwas anders verhält es sich jedoch mit dem Gottesverständnis und der religiösen Kultur, die sich damit verbindet. Dort kann es immer noch zu Missverständnissen und Konflikten kommen. Darunter leidet in Europa der Islam, so der Philosoph Dr. Wolfram Eilenberger. Der Islam habe jahrhundertelang im Abendland als das "fremde Andere" herhalten müssen, um die eigene europäische Identität zu festigen. Nach dem Zivilisationsbruch der Shoah müsse Religion achtsam auf gesellschaftliche Fehlentwicklung reagieren, forderte Rothschild. Diese Achtsamkeit ist in der Gegenwart überall in Europa besonders gefordert.
Wie es dazu kommt, dass der Nationalismus europaweit wieder aufkeimt, analysierten Professor Dr. Navid Kermani und der Europaparlamentarier Elmar Brok in einem "Kulturdialog". Der für die Europäische Union zentrale Gedanke der Gleichheit gehe auf die christliche Ethik zurück, gab Kermani zu bedenken. Die Rückbesinnung auf diesen Überbau universaler Werte sei der EU dringend anzuraten. Der CDU-Politiker Brok, der an die Rolle katholisch geprägter Gründungsväter der europäischen Einigung erinnerte, griff diesen Gedanken der europäischen Wertegemeinschaft auf, als er sich über den Versuch empörte, bei der aktuellen Vorstellungstour für den CDU-Vorsitz mit Parolen gegen das Asylrecht Stimmung zu machen.
Derart zu zündeln könnte gefährlich werden, denn politischer Zündstoff steht reichlich bereit. Annette Schavan sorgte sich, schon nach der kommenden Europawahl könne der Zerfallsprozess der EU einsetzen, wenn die Populisten erfolgreich sein sollten. Es sei die Aufgabe der Religionen, dagegen zu halten. Und so endete der dreitägige, oft theologisch tiefgründig geführte und pastoral ausgerichtete Europakongress mit Teilnehmer aus 13 europäischen Ländern mit einem sehr konkretenAppell, der unter den Kongressteilnehmern auf viel Zustimmung stieß: Die Religionen sollen, so Bischof Hein gemeinsam ihre Mitglieder und alle Bürger dazu auffordern, zur Wahlurne zu gehen und für Europa zu stimmen.
(Karl-Martin Flüter)
Das Bonifatiuswerk der deutschen Katholiken und die Katholische Hochschule NRW waren Veranstalter des Europakongresses vom 21. bis zum 23. November 2018 als ein Element des Projektes „Herkunft hat Zukunft“ im Europäischen Kulturerbejahr.
Der Kongress mit gut 300 Teilnehmern aus 13 europäischen Ländern begann am Mittwoch mit einem Impulsreferat des Präsidenten des europäischen Parlamentes a. D. Dr. Hans-Gert Pöttering. Der Dialog der Kulturen und Religionen bereite den Weg für das Miteinander in Europa und in der Welt.
Am Donnerstag diskutierten Vertreter von Kirche und Wissenschaft auf Augenhöhe mit Studierenden und Gästen in 15 verschiedenen Workshops. Am Abend feierte Erzbischof Hans-Josef Becker mit neun Bischöfen und Priestern aus Nordeuropa und den USA einen Gottesdienst, in dem er Christus als Licht in Europa, für Europa und über Europa herausstellte. Der Freitag war geprägt vom engagierten, zum Teil kontrovers geführten Dialog zwischen namhaften Vertretern der drei monotheistischen Religionen.
Das Bonifatiuswerk mit Sitz in Paderborn unterstützt Katholiken in Minderheitensituationen in Deutschland, Nordeuropa und dem Baltikum.
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