"WAS IST UNSERE CHRISTLICHE IDENTITÄT?"

Bonifatiuswerk eröffnet Diaspora-Aktion in München

Von Links: Michael Patrick Kelly (Musiker), Bernd Sibler (bayerischer Kultusstaatssekretär), Monsignore Georg Austen (Generalsekretär des Bonifatiuswerkes), Kardinal Reinhard Marx, Prof. Tomáš Halík, Heinz Paus (Präsident des Bonifatiuswerkes) und Bischof Edvards Pavlovskis (Bischof von Jelgava in Lettland). Foto: Patrick Kleibold
Von Links: Michael Patrick Kelly (Musiker), Bernd Sibler (bayerischer Kultusstaatssekretär), Monsignore Georg Austen (Generalsekretär des Bonifatiuswerkes), Kardinal Reinhard Marx, Prof. Tomáš Halík, Heinz Paus (Präsident des Bonifatiuswerkes) und Bischof Edvards Pavlovskis (Bischof von Jelgava in Lettland). Foto: Patrick Kleibold

06.11.2016

„Keiner soll alleine glauben. Unsere Identität: Barmherzigkeit“

Mit einem feierlichen Gottesdienst hat das Bonifatiuswerk die bundesweite Diaspora-Aktion der katholischen Kirche im Münchener Dom eröffnet. „Keiner soll alleine glauben. Unsere Identität: Barmherzigkeit“, mit diesem Motto thematisiert das Hilfswerk die Frage nach der christlichen Identität in einer sich rasant verändernden, pluralistisch geprägten Gesellschaft.„Als Christen sollten wir genau wissen, wofür wir stehen, und das auch in unsere Gesellschaft hineintragen“, sagte der Generalsekretär des Bonifatiuswerkes, Monsignore Georg Austen.

Den Festgottesdienst zum Auftakt der jährlich stattfindenden Diaspora-Aktion feierte Kardinal Reinhard Marx, Erzbischof von München und Freising und Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz, gemeinsam mit Bischof Berislav Grgić, Bischof von Tromsø in Norwegen, Edvards Pavlovskis, Bischof von Jelgava in Lettland, und Georg Austen. Im Mittelpunkt des Gottesdienstes und des anschließenden Festaktes standen die Fragen, „Was unterscheidet uns als Christen von unseren Mitmenschen? Was ist unser Markenkern und unsere christliche Identität?“

Voneinander lernen

Die Diaspora-Aktion nimmt Katholiken in den Blick, die in Deutschland, Nordeuropa und dem Baltikum ihren Glauben als Minderheit leben. Laut Kardinal Marx gehört Diaspora zum christlichen Leben dazu. Marx sagte, Christen in diesen Regionen und Christen in Regionen, „wo das Christentum für viele immer noch selbstverständlich ist und die Kultur prägt“, müssten „voneinander lernen“. Dabei sei die innere Haltung entscheidend. Bedeutung gewinne eine Gemeinschaft nicht durch die Zahl ihrer Mitglieder, stattdessen komme es darauf an, „ob sie in sich die Überzeugung hat, etwas Wichtiges für alle zu sagen zu haben“. „Es geht darum, im Inneren des Herzens daran zu glauben, dass Christus die Zukunft für alle Menschen ist.“ Die Diaspora-Aktion sei ein „Signal der Hoffnung, der Ermutigung, unseren Weg zu gehen“, sagte Kardinal Marx.

Die christliche Identität Europas

In seiner Festrede zum Thema „Kreative Minorität“ stellte sich der Prager Theologe und Soziologe Prof. Tomáš Halík die Frage, ob es möglich sei, in Zukunft die Identität der europäischen Kultur oder die „christliche Identität Europas“ zu bewahren. „Aus der gegenwärtigen Entwicklung geht hervor, dass in Europa die Säkularisierung nicht das letzte Wort der geschichtlichen Entwicklung sein wird.“ Halík kämpfe um die Hoffnung, das Christentum möge für das unter schweren Umständen entstehende Europa eine große Bedeutung haben. Dazu bedürfe es einer tiefen Reform. „Ein Neubeginn kann es nur dann werden, wenn die Ideen, die Papst Franziskus in seinen Enzykliken präsentiert, weiter durchdacht und ins Leben eingeführt werden. Sie dürfen kein bloß ‚zu Papier gebrachtes Christentum‘ bleiben, sondern sollten Hilfe leisten beim Suchen nach einer neuen Spiritualität, nach einer neuen Art und Weise des Christseins in einer Welt,“ ist sich Halík sicher.

Für den Präsidenten des Bonifatiuswerkes, Heinz Paus, ist der christliche Glaube in einer pluralistischen und zunehmend säkularisierten Welt unverzichtbar. „Wir, die Mitarbeiter, Gremien und Förderer des Bonifatiuswerkes handeln aus der Überzeugung heraus, dass unser Glaube ein kostbares Gut und ein stabiles Fundament ist, das unser Leben gelingen lässt“, sagte Paus.

Das Grußwort sprach der bayerische Kultusstaatssekretär Bernd Sibler (CSU). Er dankte dem Bonifatiuswerk für seine Glaubensarbeit gerade für christliche Minderheiten: „Mit Ihren Projekten geben Sie Katholiken in der Diaspora Hilfe und Halt. Als Christen wissen wir, wie wichtig es ist, unseren Glauben in der Gemeinschaft leben und unsere Bräuche und Traditionen pflegen zu können. Das Bonifatiuswerk ist nicht nur die Brücke hin zu christlichen Minderheiten, sondern auch Motivation, die christlichen Wurzeln selbstbewusst nach außen zu tragen. Gerade im Miteinander unterschiedlicher Kulturen und Religionen sind die eigenen Werte und Traditionen unverzichtbar. Nur wenn wir stark sind im eigenen Glauben, kann ein friedliches, solidarisches und respektvolles Zusammenleben unterschiedlicher Kulturen gelingen.“

„Kirche lebt von Menschen. Sie ist so lebendig oder tot, wie Menschen sie gestalten."

Gerade in Regionen, in denen Christen als Minderheit unter Anders- und Nichtgläubigen leben, stellt sich die Frage nach der christlichen Identität in besonderem Maße. „Kirche lebt von Menschen. Sie ist so lebendig oder tot, wie Menschen sie gestalten. Daher müssen wir uns bewusst machen, was unser Erkennungsmerkmal ist und uns verstärkt für die Weitergabe des Glaubens einsetzen“, sagte Austen. Wenn zum Ende dieses Jahres die Pforten der Barmherzigkeit geschlossen werden, sei es wichtig, dass die Türen zu den Herzen der Menschen geöffnet blieben. Nur so verkomme Barmherzigkeit nicht zu einer leeren Hülle und bleibe als Lebensnerv unserer christlichen Identität erhalten.

Höhepunkt der Diaspora-Aktion ist der Diaspora-Sonntag am 20. November. An diesem Tag wird in ganz Deutschland für die Belange der Menschen gesammelt, die in Nord- und Ostdeutschland, in Nordeuropa und im Baltikum als Minderheit ihren Glauben leben.

(PK)

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