SONDERPREIS

"Helfende Hände"

Die Gewinner des Sonderpreises, gemeinsam mit ZDF Moderator Tim Niedernolte (Mitte hinten), Bonifatiuswerk-Präsident Heinz Paus (2.v.r.) Bonifatiuswerk Geschäftsführer Ingo Imenkämper (3.v.l.), Bischof Dr. Wiesemann (4.v.r.) und Katharina Binz Stellv. Ministerpräsidentin des Landes Rheinland-Pfalz (rechts) (Foto: Marius Thöne)
Die Gewinner des Sonderpreises, gemeinsam mit ZDF Moderator Tim Niedernolte (Mitte hinten), Bonifatiuswerk-Präsident Heinz Paus (2.v.r.) Bonifatiuswerk Geschäftsführer Ingo Imenkämper (3.v.l.), Bischof Dr. Wiesemann (4.v.r.) und Katharina Binz Stellv. Ministerpräsidentin des Landes Rheinland-Pfalz (rechts) (Foto: Marius Thöne)

Als an einem Sonntagabend der Bürgermeister vor seiner Haustür stand, wusste Pfarrer Carsten Leinhäuser, dass es dringend ist. Er leitet die Pfarrei Heilig Kreuz in Winnweiler im Bistum Speyer. Kurz nach Beginn des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine kamen die ersten Geflüchteten in den Ort – und schnell war die Notunterkunft der Gemeinde voll. "In den nächsten Tagen sollten weitere 50 bis 100 Menschen aus der Ukraine kommen und die Gemeinde wusste nicht, wo sie untergebracht werden können", sagt Leinhäuser. Ihm gelang es, das Kolpinghaus Falkenstein für einige Wochen als Unterkunft zu organisieren.

Aus dieser Nacht-und-Nebel-Aktion, wie Leinhäuser es nennt, ist das Projekt "Helfende Hände" entstanden, das nun den Sonderpreis des diesjährigen Bonifatiuspreises gewonnen hat. "Aus dem Nichts heraus haben wir die Flüchtlingsunterkunft eingerichtet", sagt Leinhäuser. Schnell haben sich rund hundert Ehrenamtliche im Ort gefunden, die ihre Hilfe anboten. Zunächst organisierten sie eine Spendenaktion: Kleidung, Lebensmittel, Babysachen, Bettwäsche, Handtücher – alles sei innerhalb weniger Tage in Massen abgegeben worden, sagt Leinhäuser.
 

"Euer Projekt ist gut. Wir wollen helfen"

Die meisten der Ehrenamtlichen haben mit der katholischen Kirchengemeinde nichts zu tun. "Das war auch egal. Die Leute haben gesagt: Euer Projekt ist gut. Wir wollen helfen", sagt Leinhäuser. Sowohl die Geflüchteten als auch die Menschen im Ort seien beeindruckt gewesen von einer Kirche, die nicht nur betet und fromm ist, sondern wirklich für die Menschen da ist. "Als Pfarrei sind wir hier im Ort nun so gut vernetzt wie schon lange nicht mehr. Wir werden als sozialer und gesellschaftlicher Player wahrgenommen", sagt Leinhäuser.

Dieses Lob gebühre aber allein den Ehrenamtlichen: "Sie haben die Koch-, Putz- und Fahrdienste und Nachtwachen in der Notunterkunft organisiert. Wir waren verantwortlich für das Haus und rund um die Uhr vor Ort." Er selbst ist mit seinem Büro in das Kolpinghaus gezogen, um den normalen Alltag der Pfarrei zu organisieren und gleichzeitig als Ansprechpartner in der Notunterkunft zu sein.

Als das Kolpinghaus nach acht Wochen schloss, entwickelte sich das Projekt weiter: Die Ehrenamtlichen organisierten im Pfarrhaus ein Café. Zwei Mal in der Woche können sich dort Geflüchtete und Gemeindemitglieder treffen, miteinander reden und sich kennenlernen. Die Ehrenamtlichen helfen außerdem bei Anträgen für Sozialleistungen oder bei der Wohnungssuche. Auch ein Deutschkurs wird angeboten. "Eigentlich sollte das Café nur bis zu den Sommerferien öffnen, aber der Bedarf ist nach wie vor so groß, dass wir diese Aktion mehrfach verlängert haben, jetzt bis mindestens Ende Januar 2023", sagt Leinhäuser. 
 

"Es waren immer Menschen da, die geholfen haben"

Durch das Projekt sind Beziehungen entstanden. "Die Helfer und die Geflüchteten kennen sich. Da haben sich Freundschaften entwickelt", sagt Leinhäuser. Als er kürzlich eine Mail an die Ehrenamtlichen verschickte und darum bat, sich für Dienste im Café zu melden, sei der Plan innerhalb weniger Stunden gefüllt gewesen: "Sie wissen, wem sie helfen, und wollen weiter für die Menschen da sein. Dafür arbeiten sie unglaublich viel und stecken Zeit und Energie in das Projekt."

Als dritter Teil des Projekts "Helfende Hände" hat die Pfarrei nun im September ein Ladenlokal angemietet und dort eine Kleiderstube eröffnet. "Hier kann jeder gute gebrauchte Kleidung günstig bekommen", sagt Leinhäuser. Finanziert wird alles durch Spenden. Zukünftig, wenn das Projekt-Café schließt, sollen Geflüchtete in der Kleiderstube auch Beratung und Hilfe bekommen können. "Aber noch ist der Andrang so groß, dass wir beide Aktionen gleichzeitig laufen lassen", sagt Leinhäuser.

Er ist begeistert vom Schwung, den das Projekt in seine Gemeinde gebracht hat: "Es ist aus der Not geboren. Aber es waren immer Menschen da, die geholfen haben. Nur so konnte so viel entstehen." Diese Haltung soll bleiben, betont der Pfarrer. Die Gemeinde solle sich fragen: "Wo werden wir gebraucht?" Und dann anpacken: "Lasst uns Dinge ausprobieren, Fehler machen, daraus lernen und Neues wagen."

(Kerstin Ostendorf)