ZWEITER PREISTRÄGER

Briefmarken, Pakete und Gespräche über Gott

Ehrenamtliche bieten im "Café unterm Kirchturm" frischen Kuchen und Kaffee an (Foto: Liebfrauengemeinde Kiel)
Ehrenamtliche bieten im "Café unterm Kirchturm" frischen Kuchen und Kaffee an (Foto: Liebfrauengemeinde Kiel)

Nur sieben Prozent der Einwohner Kiels sind katholisch. Trotzdem gehört die Kirche zum Alltag der Menschen. Das Café und der Paketshop der Liebfrauengemeinde erhalten den zweiten Platz beim Bonifatiuspreis.

Manchmal kommt jemand in den kleinen Paketshop im Krusenrotter Weg in Kiel und will dort eigentlich nur Briefmarken kaufen. „Aber dann laden wir die Leute in unser Café nebenan ein – und oft bleiben sie doch noch auf ein Stück Kuchen und ein Gespräch“, sagt Franz-Josef Hosse von der Liebfrauengemeinde. Seit zwei Jahren betreibt die katholische Gemeinde in ihrem Gemeindehaus ein Café und einen Paketshop. Die Idee dazu hatten die Mitglieder des Teams „Kloster und Kirche“, zu dem Hosse gehört, vor ein paar Jahren. Damals fragten sie sich: „Wie können wir als Kirche für die Menschen in unserer Nachbarschaft da sein?“


Diasporagebiet in Deutschland

In Kiel ist die Kirche im Alltag der Menschen normalerweise nicht besonders präsent. Die schleswig-holsteinische Landeshauptstadt zählt in Deutschland zu den Diasporagebieten. Nur sieben Prozent der Einwohner sind Katholiken. Die Liebfrauengemeinde gehört zur Großpfarrei Franz-von-Assisi, die das komplette Stadtgebiet und einige umliegende Orte umfasst: elf Gemeinden und 24 000 Katholiken unter einem Dach.

Im Pfarrhaus der Liebfrauengemeinde, das ursprünglich mal einem Franziskanerkloster gehörte, leben heute Mauritzer Schwestern aus Münster. Vor ein paar Jahren gründeten Gemeindemitglieder und Schwestern das Team „Kloster und Kirche“, eine Art ehrenamtlichen Pfarrgemeinderat, allerdings ohne offizielle Ämter und Wahl, so beschreibt es Hosse. Gemeinsam mit den Schwestern überlegten die Ehrenamtlichen, wie sie sich für die Menschen in ihrer Nachbarschaft engagieren könnten. „Wir sind einfach mal von Tür zu Tür gegangen und haben gefragt, was sich die Leute wünschen“, sagt Hosse. Im Kieler Stadtteil Hassee, wo die Liebfrauengemeinde liegt, leben vor allem ältere Menschen. Direkt neben der Kirche gibt es ein Seniorenheim.

Eindrücke aus dem "Café unterm Kirchturm" mit Poststelle


Was brauchen die Menschen im Viertel?

Bäckereien und Gastronomie verschwinden allerdings zunehmend. Auch die Post hat schon vor vielen Jahren geschlossen. Schnell war klar, was die Menschen in Hassee am meisten brauchen: ein Café, das man zu Fuß erreichen kann, und einen Paketshop. „Wir haben dann mit verschiedenen Anbietern gesprochen und als Kirchengemeinde einen Vertrag mit DHL geschlossen“, sagt Hosse. Für ihre Arbeit bekommen die ehrenamtlichen Mitarbeiter eine kleine Entschädigung der Post.

Das Café nebenan finanzieren sie hingegen komplett über Spenden. Rund 25 Ehrenamtliche backen Kuchen und bedienen die Gäste. Dreimal die Woche sind Paketshop und Café geöffnet, jeweils für ein paar Stunden am Nachmittag. Zwischen 12 und 14 Gäste kämen regelmäßig, sagt Hosse, bei Kultur oder Musikveranstaltungen seien es mehr. Am besten läuft aber die Handysprechstunde, bei der ein IT-Fachmann den Senioren erklärt, wie sie ihr Handy richtig bedienen. „Die ist der absolute Renner“, sagt Hosse. Inzwischen hat das „Café unterm Kirchturm“ viele Stammgäste. Freundschaften haben sich dort entwickelt.


Mit der Kirche in Kontakt kommen

„Am Anfang kamen acht Menschen und jeder hat sich alleine an einen anderen Tisch gesetzt. Aber jetzt sitzen die hier alle zusammen“, sagt Hosse und lacht. Er ist froh, dass das Projekt nach zwei Jahren immer noch so gut läuft. Dass sie dafür nun sogar mit dem Bonifatiuspreis ausgezeichnet wurden, habe ihn sehr überrascht: „Wir haben das selbst gar nicht so missionarisch wahrgenommen – aber wir sind sehr stolz, dass wir gewonnen haben.“

Denn auch wenn das Projekt ursprünglich nicht missionarisch gedacht war, sei der Effekt, den es erzielt, beachtlich, sagt Hosse. Viele Menschen, die nicht zur Gemeinde gehören, würden dadurch angesprochen. „Die Leute finden das super und wollen sich engagieren – obwohl sie mit der Kirche nichts am Hut haben.“ Hosse sieht das Café aber auch als Angebot, mit der Kirche in Kontakt zu kommen. „Die Leute sind sehr interessiert. Manchmal fragt jemand, ob er mal in die Kirche schauen darf und ob ihm da jemand etwas erklären kann.“


Schulungen für Ehrenamtliche

Die ehrenamtlichen Mitarbeiter wurden dafür von einem Gemeindereferenten geschult. Ab und zu bieten die Mauritzer Schwestern im Café auch Seelsorgegespräche an. Das zahlt sich aus: Inzwischen nehmen viele Menschen, die vorher überhaupt keinen Bezug zur Kirche hatten, auch außerhalb des Cafés und Paketshops am Gemeindeleben teil. „Je öfter sie kommen, desto stärker wird auch die Bindung zur Kirche“, sagt Hosse.

(Sandra Röseler)