ABENTEUER GLAUBE

Ein Jahr Lebensgemeinschaft im Glockenhof

Die Lebensgemeinschaft im Glockenhof besteht seit über einem Jahr. (Foto: Privat)
Die Lebensgemeinschaft im Glockenhof besteht seit über einem Jahr. (Foto: Privat)

06.01.2022

Alles zurücklassen und nochmal von vorne anfangen? Das haben Ursula und Nikolaus Huhn im November 2020 gemacht, als sie aus ihrem Haus aus- und in das ehemalige Karmelkloster in Weimar-Schöndorf einzogen. Sie gründeten dort eine christliche Lebensgemeinschaft, um für andere da zu sein. In der Sendung    "Wir ziehen ins Kloster" des MDR Kultur geben sie nun nach einem Jahr ein erstes Fazit zu ihrem Wohnmodell der Zukunft: Altersgemischt, weniger Individualismus, gemeinsame Unterstützung.
 

Kirchengemeinde ist mehr als ein Vereinsheim

Ursula Huhn ist Neurologin und hatte sich damals nach eigenen Angaben um die 20 Stunden pro Woche für die Gemeinde-, Schul- und Ortsarbeit stark gemacht. Mit der Zeit wurde es immer weniger, doch nur noch Orgelspielen wollte sie nicht: "Die ganzen eigenen Projekte hatte ich in den letzten Jahren schon aufgegeben und war immer mehr auf der Arbeit." Ihr Mann hatte das Karmelkloster während eines Schweigewochenendes besucht, ihr selber gefiel die Atmosphäre erst nicht. Bei einem zweiten gemeinsamen Besuch eröffneten die Karmelschwestern dem Ehepaar Huhn, dass sie das Karmel schließen müssen. Ab da konnte Ursula Huhn sich vorstellen, ein neues Abenteuer zu beginnen. Für den Energieberater und Buchautor Nikolaus Huhn war die Sache bereits länger klar: Er hatte sich immer gewünscht, dass Gemeinde für den Ort da und nicht bloß ein Vereinsheim ist. Das Kloster bot ihm die nötige Offenheit für Gäste und Besucher. Als die Schwestern in den Ruhestand geschickt wurden, ging alles ganz schnell.

Weniger Individualismus, mehr Verbindendes

Wenig Privatraum in 16 Klosterzellen

Die moderne Klosteranlage ist mit der katholischen Kirche St. Bonifatius durch einen gläsernen Gang verbunden. Neben dem Wohngebäude mit 16 Klosterzellen gehört auch eine große Außenfläche mit Garten und Teich zum Glockenhof dazu. Den Namen leitet die christliche Lebensgemeinschaft von drei ausrangierten Glocken der St. Bonifatius-Kirche ab. Die Bewohner selber haben hingegen wenig Privatraum – gerade für jüngere Mitbewohner ein Problem. Die Zellen genannten Schlafräume besitzen auf 6 m² Fläche Bett, Schrank und Waschbecken, sowie einen Schreibtisch mit Stuhl. Doch dafür bieten die Gemeinschaftsräume Platz für die Entfaltung; ein drei Meter hohes und gut sieben Meter langes Bücherregal im Flur lässt das Leseratten-Herz höher schlagen.
 

Christliche Lebensgemeinschaft mit Jesus in der Mitte

Ursula und Nikolaus Huhn sind mit einem Alter von knapp 60 Jahren die ältesten Bewohner. Eine weitere Bewohnerin ist Anfang dreißig, die meisten Anfang zwanzig. Ein Einzug in die christliche Lebensgemeinschaft bedeutet eine neue Lebensphase mit Jesus in der Mitte zu beginnen. Mittels Probewohnen lässt sich herausfinden, ob die Dimensionen des christlichen Rahmens den eigenen Vorstellungen standhalten können. Eine Verpflichtung zum Gebet gebe es aber nicht, betont Nikolaus Huhn. Durch die stille Meditation morgens und das gemeinsames Gebet abends möchte man vielmehr die innere Sehnsucht bei den Bewohnern befriedigt wissen. Für die Zukunft hofft Nikolaus Huhn, dass sich langbleibende Bewohner in den Glockenhof einquartieren. Diese würden andere Erwartungen an das christliche Gemeinschaftsleben haben, als es bei den jüngeren Mitbewohnerinnen der Fall sei.

Die Glaubenshilfe des Bonifatiuswerkes hat das Projekt mit einer Fördersumme in Höhe von 4.800 Euro unterstützt.

(MDR Kultur/hes)