PRESSEREISE DES BONIFATIUSWERKES NACH LETTLAND UND ESTLAND

Gespräch mit Ex-Präsident Zatlars zum Ukraine Krieg

Die Reisegruppe mit Ex-Präsident Valdis Zatlars (6.v.l.) (Foto: Marius Thöne)
Die Reisegruppe mit Ex-Präsident Valdis Zatlars (6.v.l.) (Foto: Marius Thöne)

27.09.2022

Seit dem 25. September findet die fünftägige Pressereise des Bonifatiuswerkes in die baltischen Staaten Lettland und Estland statt. Journalisten aus ganz Deutschland lernen auf der Reise verschiedene Kirchen und Klöster in diesen Diaspora-Regionen kennen, es werden soziale Einrichtungen, wie das Frauengefängnis Ilguciema besucht und an Gottesdiensten teilgenommen. Zudem werden zahlreiche Projekte besichtigt, die das Bonifatiuswerk durch Spenden unterstützt, zum Beispiel das Familienzentrum "Svetas Gimenes Maja" in Riga. Auch werden Gespräche mit lettischen Persönlichkeiten und politischen Vertretern geführt, wie dem lettischen Ex-Präsidenten Valdis Zatlars.
 

Zatlars lehnt die Aufnahme russischer Wehrpflichtiger ab

"Wir stehen dabei immer vor der Frage, ob die Aufnahme eines Russen bedeutet, dass es in Russland einen potenziellen Soldaten weniger gibt - oder einen unzufriedenen Protestierer weniger", sagte Zatlars. "Kriege werden nur von Menschen beendet, die vom Krieg genug haben." Schon heute könne man beobachten, dass viele Russen sehr empört über die Visa-Restriktionen in Europa seien.

Die meisten Menschen in Europa hätten verstanden, dass der beste Weg, um den Krieg zu beenden, die Wiederherstellung des Territoriums der Ukraine inklusive der Krim sei, sagte Zatlars, der von 2007 bis 2011 an der Spitze des baltischen Landes stand. Wenig Hoffnung äußerte der Mediziner auf einen schnellen Frieden in der Ukraine.

"Das Prinzip Frieden für Land funktioniert nicht, das sieht man an Israel und Palästina", sagte er. Und selbst wenn sich Russland komplett aus der Ukraine zurückziehen müsste, bliebe die militärische Infrastruktur in Russland unbeschädigt. "Werden sie eine derartige Invasion wiederholen? Niemand weiß es." Als schlimmstes Szenario bezeichnete er einen Bürgerkrieg und ein Auseinanderfallen Russlands verbunden mit einem Streit um den Besitz der russischen Kernwaffen.
 

Ex-Präsident äußert sich über deutsche Außenpolitik

Verhalten positiv äußerte sich Zatlars über die deutsche Außenpolitik im Ukraine-Konflikt. Es sei zunächst schwer verständlich gewesen, dass eines der am stärksten wirtschaftlich entwickelten Länder in Europa zögernd in der Verteidigungspolitik gewesen sei. "Aber das ändert sich", sagte Zatlars. "Die Deutschen sind generell sehr zielorientiert - es braucht nur etwas Zeit, um sie auf die richtigen Gleise zu setzen."

In Lettland habe der russische Krieg gegen die Ukraine alte Wunden aufgerissen. Daher sei es schnell etwa zum Abriss alter sowjetischer Denkmale gekommen. Die große russische Minderheit in Lettland, zu der bis heute auch 190.000 nach dem Zerfall der Sowjetunion staatenlos gewordene Russen und Bürger anderer Sowjetrepubliken gehören, habe sich aber ruhig verhalten. "Als die Denkmale abgerissen wurden, hat jeder mit Protesten gerechnet", sagte Zatlars. "Das passierte aber nicht."

Das zeige, dass 30 Jahre eines friedlichen Zusammenlebens etwas bewirkt hätten und die Integration russischstämmiger Letten in die Gesellschaft besser geglückt sei als erwartet. Zudem bestehe die jüngere Generation der russischstämmigen Letten aus überzeugten Europäern. Es seien vor allem ältere Menschen, die in Lettland weiter für Putin seien.

(kna/mos)
 

Impressionen der Pressereise

(Fotos: Matthias Band)