DIE WAHRNEHMUNG VERÄNDERN

Obdachloser zeigt Hildesheim aus anderem Blickwinkel

Claude Englebert (rechts), Inhaber der Bonifatiuswerk-Personalstelle, setzt sich gemeinsam mit dem wohnungslosen Sven in sozialen Stadtführungen für mehr Toleranz gegenüber Obdachlosen ein. (Foto: Kongregation der barmherzigen Schwestern, Hildesheim)
Claude Englebert (rechts), Inhaber der Bonifatiuswerk-Personalstelle, setzt sich gemeinsam mit dem wohnungslosen Sven in sozialen Stadtführungen für mehr Toleranz gegenüber Obdachlosen ein. (Foto: Kongregation der barmherzigen Schwestern, Hildesheim)

08.11.2023

Das Projekt "Street Smart" der Vinzenzpforte, eine soziale Begegnungsstätte der Vinzentinerinnen Hildesheim, möchte der sozialen Unsichtbarkeit etwas entgegensetzen. Wohnungslose und bedürftige Menschen entwickeln in vertrauensvoller Zusammenarbeit mit Jugendlichen der Fachstelle Jugendpastoral Hildesheim eine Stadtführung.

Claude Englebert ist Projektverantwortlicher von "Street Smart". Dabei handelt es sich um eine mit 30.000 Euro vom Bonifatiuswerk geförderte Personalstelle. "Wir wollen Kirche durch gelebte und engagierte Gemeinschaftsarbeit auf die Straßen und Plätze unserer Stadt tragen", sagt Claude Englebert. Regelmäßig begleitet er die Stadtführungen, bei denen Gäste der Vinzenzpforte Touristen wie auch Einheimische durch die Stadt führen, um deren Wahrnehmung armer und suchtkranker Menschen zu verändern und die Stadt aus einem anderen Blickwinkel zu zeigen, nämlich mit allen Problemen und Herausforderungen, die Obdachlose bewältigen müssen.

Einer von ihnen ist Sven, 52 Jahre alt. Er kommt regelmäßig zum Mittagessen in die Vinzenzpforte. Dort erfuhr er auch von den Stadtführungen. Seither arbeitet er mit bei den Stadtführungen und zeigt anderen Menschen Orte, die sie sonst vermutlich übersehen hätten. Mit seinem Redetalent fesselt er die Zuhörerinnen und Zuhörer und spricht in den Stadtführungen offen über das, was ihn selbst zu seiner Wohnungslosigkeit geführt hat: "Gerade der Umstand mit Alkohol, wo einem oft oder mir oft vieles einfach egal war, ich gar nicht in der Lage war, mich um die rudimentärsten Sachen für mich zu kümmern." Auch Claude Englebert berichtet während der Stadtführungen davon, warum Menschen plötzlich ihr Dach über dem Kopf verlieren und wie schnell es einen selbst treffen kann. Außer einer Suchterkrankung könne auch eine Trennung der Grund für die Obdachlosigkeit sein.

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Ein offenes Ohr haben

Seit sieben Jahren ist Sven nun trocken, wie er erzählt. Während der Führungen berichtet er von seinem Weg aus der Sucht. Er möchte, dass die Menschen Verständnis haben und sich Zeit nehmen, Zeit nehmen, um zuzuhören. Denn oft fehlt es den Obdachlosen nicht nur an Geld, sondern auch an sozialen Begegnungen. Schon ein paar Minuten Gespräch und ein offenes Ohr könnten einen großen Unterschied im Befinden einer wohnungslosen Person machen. "Ich wünsche mir, dass man sie als Menschen wahrnimmt und nicht nur an ihnen vorbeigeht.", sagt der 52-Jährige.

Und vielleicht sind es genau diese Begegnungen und Gespräche während der Stadtführungen, die auch Svens Alltag etwas heller erscheinen lassen. Auch Projektleiter Claude Englebert betont, wie wichtig es ist, sich auf ein Gespräch mit den Menschen einzulassen. Er erhofft sich, dass alle die mitmachen, offener werden im Umgang mit Obdachlosen.

(mos)