NEUE AUFGABE FÜR GEORG GÄNSWEIN IM BALTIKUM

Früherer Papstsekretär wird Vatikanbotschafter

Erzbischof Georg Gänswein ist künftig auch zuständig für die beiden baltischen Bonifatiuswerk-Förderländer Estland und Lettland. (Foto: Raimond Spekking / CC BY-SA 4.0)
Erzbischof Georg Gänswein ist künftig auch zuständig für die beiden baltischen Bonifatiuswerk-Förderländer Estland und Lettland. (Foto: Raimond Spekking / CC BY-SA 4.0)

24.06.2024

Der deutsche Erzbischof Georg Gänswein wird Vatikanbotschafter fürs Baltikum. Die Ernennung durch Papst Franziskus teilte der Vatikan am Montag mit. Sein Dienstsitz wird Litauens Hauptstadt Vilnius sein. Damit erhält der 67-Jährige noch einmal einen wichtigen Posten in der katholischen Weltkirche.
 

Jetzt zuständig für Bonifatiuswerk-Förderländer

Gänswein ist somit künftig auch zuständig für die beiden baltischen Bonifatiuswerk-Förderländer Estland und Lettland, die das Hilfswerk seit 1995 unterstützt. Der Erzbischof lebte zuletzt ohne offizielle Aufgabe in Freiburg. Er hatte eine Wohnung im Priesterseminar und feierte regelmäßig Gottesdienste im Freiburger Münster.

Gänswein war zuvor 19 Jahre lang der Privatsekretär von Joseph Ratzinger/Benedikt XVI. gewesen. Er begleitete ihn in dessen Zeit als Präfekt der Glaubenskongregation, als Papst und als emeritierter Papst bis zu dessen Tod. Der neue Nuntius für das Baltikum stammt aus Riedern im Südschwarzwald. Er studierte Theologie in Freiburg und Rom und wurde 1984 zum Priester geweiht. Nach seinen Kaplansjahren schickte ihn der damalige Freiburger Erzbischof Oskar Saier für eine Doktorarbeit in Kirchenrecht nach München, die Gänswein 1993 beim deutschen "Kirchenrechts-Papst" Winfried Aymans mit der Bestnote abschloss.

Anschließend wurde er Saiers Privatsekretär. Weil ein Jahr später der Nuntius in Deutschland drängte, das Erzbistum Freiburg habe noch nie einen Priester an die Römische Kurie geschickt, wurde Gänswein nach Rom entsandt; er blieb aber Priester des Erzbistums Freiburg. Als Mitarbeiter der Gottesdienstkongregation war "Don Giorgio" 1995 beispielsweise für Laisierungsanträge von Priestern zuständig, die heiraten wollten. Nach gut einem Jahr holte ihn Kardinal Ratzinger in die vatikanische Glaubensbehörde und machte ihn 2003 als Nachfolger von Josef Clemens zu seinem Privatsekretär. Mit der Wahl Ratzingers zum Papst im April 2005 wechselte Gänswein in den Apostolischen Palast. Im Dezember 2012, kurz vor seinem Rücktritt, ernannte Benedikt XVI. ihn zum Präfekten des Päpstlichen Hauses. Als solcher war er für die offiziellen Termine des Papstes verantwortlich.

Zunächst bekleidete er diesen Posten auch unter Papst Franziskus; nach internem Streit um eine Buchveröffentlichung Anfang 2020 beurlaubte Franziskus den Deutschen, damit er sich ganz um Benedikt kümmern könne. Mit dessen Tod am 31. Dezember 2022 rückte Gänswein wieder verstärkt in die Öffentlichkeit, gab Interviews und veröffentlichte das Buch "Nichts als die Wahrheit". Letzteres sorgte für Schlagzeilen, weil es Details über inhaltliche Konflikte zwischen Franziskus und Benedikt enthält. Papst Franziskus hat diese Veröffentlichung scharf kritisiert. Er warf Gänswein einen Mangel an Anstand und Menschlichkeit vor. Der Papst entband Gänswein von allen vatikanischen Aufgaben und schickte ihn nach Freiburg. Allerdings sagte der Papst später auch, man müsse Menschen, die einen Irrtum begangen haben, verzeihen und ein neues Kapitel aufschlagen.

Der Streit scheint nun beigelegt zu sein, und die neue Aufgabe für den Geistlichen aus dem Südschwarzwald ist mehr als ein Trostpflaster. Denn die drei Republiken zwischen der Ostsee und dem russischen Imperium sind sowohl kirchlich wie auch politisch eine echte Herausforderung. In Estland und Lettland leben Katholiken in einer Minderheitensituation. Und geopolitisch ist das Baltikum, das noch bis 1990 zur Sowjetunion gehörte und mit seinen Häfen und Handelsströmen über die Ostsee immer wieder russische Begehrlichkeiten weckt, ohnehin ein heißes Pflaster. Gemessen am Bruttosozialprodukt unterstützt niemand in Osteuropa die Ukraine im Krieg gegen Russland so stark wie die Balten. Und nirgends sonst ist die Anti-Moskau-Rhetorik in der Politik so lautstark – und das trotz beachtlicher russischer Minderheiten. Auch hier könnte das diplomatische Geschick eines Nuntius gefordert sein, der im Auftrag eines für Frieden und Abrüstung werbenden Papstes agiert.

Ob Vilnius die Endstation für Gänsweins Karriere sein wird, ist offen. Sein Vorgänger auf dem Posten ist inzwischen Botschafter des Papstes bei der Republik Italien - und hat somit einen der wichtigsten Ränge der vatikanischen Diplomatie erklommen. Zwei weitere seiner Vorgänger wurden nach ihrer Zeit in Vilnius in die Nuntiatur nach Wien befördert.                                                                                                                           

(kna/bam)