03.07.2025:

"Was kann ich dem Leben bieten?"

Diese Frage stellt sich der Schauspieler und Bestsellerautor Samuel Koch immer wieder. Der 37-Jährige erlitt 2010 einen schweren Unfall in der Fernsehshow "Wetten, dass..?". Seitdem sitzt er im Rollstuhl. Am 30. Juli ist er auf Einladung des Bonifatiuswerkes während des Liborifestes in Paderborn bei einer von Musik, Gesprächen und Geschichten geprägten Performance zu Gast. Im Interview mit dem katholischen Hilfswerk spricht er über Mut, Glück sowie Stärken und Schwächen. Die Fragen stellte Theresa Meier.

Bestsellerautor, Schauspieler, Vereinsgründer, Redner – viele verschiedene Jobs. Was machen Sie am liebsten?

Samuel Koch: Ich habe, egal in welchem Bereich, immer eine große Freude – wenn ich Selbstwirksamkeit erfahre, wenn ich in irgendeiner Art und Weise hilfreich und auch nützlich sein darf, sowohl im Theater als auch bei anderen Projekten oder mit dem Buchprojekt "StehaufMensch!". Es ist immer mein Bestreben, dass es kein Gequatsche ist, sondern relevant hilft, einen Sinn hat und dass man nicht einfach nur um des Lebens Willen dahinvegetiert oder sich irgendwie ablenkt und seiner eigenen Bedeutungslosigkeit entflieht.

Was hat Sie dazu bewogen, das Buch "StehaufMensch!" zu schreiben, gerade auch mit der Subheadline "Was macht uns stark? Kein Resilienzratgeber!"?

Samuel Koch: Ich habe mich das selbst sehr intensiv gefragt, was uns stark macht, auch daherkommend, dass mir diese Frage sehr oft gestellt wurde. Dabei habe ich gemerkt, dass es Quatsch ist, wenn ich jetzt jemand anderem sage, was mich stark macht, weil Dinge, die mir helfen und mich stark machen, nicht zwangsläufig für jemand anderes gelten müssen.

Deswegen habe ich so eine unmögliche Aufgabe versucht, eine universelle Betriebsanleitung für den Umgang mit schweren Zeiten zu finden, wohl wissend, dass das auch nur bedingt möglich ist. Ich habe sehr, sehr viele Menschen, die Schweres erlebt haben, zur Recherche für dieses Buch befragt, was sie stark macht. Aus diesen mehr als tausend Gesprächen, die ich über Jahre hinweg geführt habe, habe ich versucht herauszufinden, was es für einen Konsens an Dingen geben kann, die hilfreich für Momente sein können, in denen man sich schwach fühlt oder Stärke braucht. Deswegen die genannte Fragestellung, der dieses psychologische Resilienz-Thema zugrunde liegt. Ich habe selbst viele Resilienz-Ratgeber dazu gelesen und mich schwergetan, wenn dort geschrieben war: 'Ich habe es so gemacht, also musst du es auch so machen.' Ich habe in meiner eigenen Rehabilitationszeit erfahren, dass Ratschläge auch manchmal nur Schläge sein können. Daher war es mir wichtig, keinen Ratgeber oder 'Ratschläger' zu schreiben.

Ihren Rollstuhl bezeichnen Sie im Buch als "180-Kilo-Demutspanzer". Was meinen Sie genau mit diesem Begriff?

Samuel Koch: Der hält mich im wahrsten Sinne des Wortes am Boden und damit auch demütig. Wann immer ich Gefahr laufen sollte, in irgendeiner Art und Weise einem der schwierigsten oder gefährlichsten Zustände, nämlich dem Hochmut, konfrontiert zu werden, dann habe ich den Demutspanzer immer dabei, der mir ganz klar zeigt, dass ich sowieso nichts alleine schaffen kann.

Warum war es Ihnen wichtig, den Querschnitt der Gesellschaft in diesem Buch abzubilden? Sie sprechen von todkranken Menschen, Topmanagern, Flüchtlingen und Häftlingen.

Samuel Koch: Um ein möglichst breites Bild abzudecken, aber auch verschiedene Situationen abzubilden. Während meines Klinikaufenthaltes gab es dort Menschen, die sich am biologischen Lebensende befunden haben. Da habe ich erfahren, dass für sie ganz andere Sachen wichtig sind, um mit ihrer Abhängigkeit umzugehen, als für mich, der sich ebenfalls in der Abhängigkeit neu einfinden musste. Daher, glaube ich, hat der Häftling, von dem sich seine Familie abgewendet hat, andere Bewältigungsstrategien entwickelt als der religiöse Flüchtling, von dem sich die ganze Familie auch abgewendet hat, weil er seinen Glauben gewechselt hat.

So unterschiedlich das Leben ist, so unterschiedlich sind auch die Möglichkeiten, damit umzugehen. Beim Schreiben dieses Buches hatte ich einen ehemaligen Schauspieler vor Augen, der an ALS erkrankt war, den ich auch im Hospiz besucht hatte, und der nur noch auf sein Ableben wartete. In all dem, was ich schrieb, war mir wichtig zu berücksichtigen, was für ihn, dessen Leben kurz vor dem Tod stand, hilfreich sein könnte.

Für viele sind Sie ein ganz besonderer Mutmacher? Inwiefern sehen Sie sich da auch in der Verantwortung, als Vorbild zu agieren?

Samuel Koch: Mit diesem Mutmacher-Begriff bin ich schon hart ins Gericht gegangen, weil ich einfach viele Erfahrungen gemacht habe. Um ein Beispiel zu nennen: Ich bin viel in Reha-Einrichtungen und besuche auf Einladung Menschen auf der Intensivstation, denen ähnliches passiert ist wie mir, die an der Beatmungsmaschine hängen und nicht mehr leben wollen. Einen konnte ich zum Beispiel inspirieren und ihm gewisse Dinge mit an die Hand geben. Er ist ein kräftiges Kerlchen geworden und hat seinen Abschluss gemacht. Dem anderen, der dieselbe Diagnose hatte, habe ich das Gleiche gesagt, der hat nach einigen Jahren kein ‚Ja‘ zum Leben gefunden und es beendet – gleiches Alter, gleiche Diagnosen. Ich habe gemerkt, dass ich kein Mutmacher sein kann, weil den Mut zum Leben, ein ‚Ja‘ zum Leben oder zumindest ein ‚Vielleicht‘, muss dann doch jeder selbst aufbringen.

Das hat mir gezeigt, dass dieser Mutmacher-Begriff sehr begrenzt ist. Ich kann versuchen, vorbildlich zu leben, nach bestem Wissen und Gewissen. Mit Blick auf die Verantwortung, da wage ich zu behaupten, dass jeder Mensch Verantwortung hat, erst recht in einem demokratischen Land. Ob wir wollen oder nicht, werden wir schon mit Verantwortung geboren. Und je mehr man sich im öffentlichen Raum bewegt oder je mehr Kontakt man auch zu anderen Menschen hat, ob öffentlich oder nicht, in der Familie, bei der Arbeit oder wo auch immer, desto eher wächst die Verantwortung, und die versuche ich wahrzunehmen.

Was ist Ihr Lebensmotto?

Samuel Koch: In meiner Abiturzeitung habe ich zum Thema Lebensmotto den sehr reflektierten und klugen Spruch geschrieben: Erst der Spaß, dann das Vergnügen. Ich würde mich da mittlerweile etwas differenzierter betrachten, wenngleich dieser Spruch schon damals mit einem Augenzwinkern zu verstehen war.

Mein Lebensmotto ist jeden Tag anders. Es wandelt zwischen der Fokussierung auf mein Glaubensleben. Der Glaube ist eine feste Zuversicht auf das, was ich hoffe und wo ich nicht an dem zweifle, was ich nicht sehe. Heißt: Ich tue mein Menschenmögliches auf dieser Welt und hoffe trotzdem zuversichtlich auf das Unmögliche.

Wenn ich auf eine Bühne gehe, führe ich mir immer wieder vor Augen, dass die Menschen einen liebevollen Gott brauchen, was immer das in allen Facetten heißt. Das kann auch heißen, zu provozieren. Eine Frage, der ich mich immer wieder widme, die auch als Motto über meiner Arbeit steht: Wie kann die gute Nachricht für diejenigen eine gute Nachricht sein, für die die gute Nachricht keine gute Nachricht ist? Aber das Leben lässt sich in seiner Komplexität nicht einfach auf Sprüche und schon gar nicht auf Kalendersprüche oder Mottos reduzieren.

Was macht Sie glücklich?

Samuel Koch: Da unterscheide ich ein wenig zwischen Glücksmomenten, die oft genauso schnell wieder verschwinden, wie sie gekommen sind, und einem nachhaltigen Glücklichsein mit der Betonung auf ‚Sein‘ und dem Zufriedensein. Glücksmomente kann ich ganz oft erleben – in einer Theaterprobe, wenn ich in einem großartigen Theaterstück sitze oder in einem Kino. Ich gehe gerne schwimmen. Ich bin zufrieden in der Natur. Ich schaue gern in die Wolken und den blauen Himmel. Ich schätze es sehr, mit meiner Frau, meinen Geschwistern, meiner Familie und meinen Freunden Zeit zu verbringen. Ich mag den Fahrtwind und immer noch schwerelose Momente in der physischen Welt.

Die zweite Kategorie des Glücklichseins ist für mich entscheidender, denn was ist, wenn all diese aufgezählten Glücksmomente gerade nicht konservierbar oder abrufbar sind? Heißt es dann, dass man nicht glücklich sein kann? Das hoffe ich nicht. Da versuche ich entgegenzuwirken, dass ich unabhängig von den Umständen und meinen Gefühlen, meinen Befindlichkeiten zufrieden bin. Neben den vielen Menschen, die ich aufgezählt habe, finde ich so eine tiefe Zufriedenheit, mit Betonung auf den Frieden oder den inneren Frieden, vor allem auch fernab von Menschen in der Stille. Jetzt gerade erst war ich wieder einige Tage im Kloster – komplett entzogen von allem. Ich finde dort im Dialog mit dem Erfinder des Rückenmarks einen inneren Frieden, der mich auch für die vielen Unglücksmomente ausrüstet, von denen ich, wenn man ehrlich ist, auch täglich umgeben bin, die einen fertig und mürbe machen können.

"Stärke, was dich trägt!" ist das Motto der diesjährigen Diaspora-Aktion des Bonifatiuswerkes. Was trägt Sie im Alltag?

Samuel Koch: Da braucht es mehr als die erwähnten Glücksmomente. Das sind einmal die Menschen, die Familie, Freunde, Kollegen, eben die Begegnungen. Dann die Tatsache, eine Beschäftigung, eine Aufgabe zu haben und dabei auch die Sinnhaftigkeit zu suchen und sie im Optimalfall zu finden. Wenn all das wegfällt, trägt mich das Transzendentale, also mein Glaube.

Äußere Kraft braucht innere Stärke – gerade in herausfordernden Zeiten. Wo finden Sie Ihre Stärke?

Samuel Koch: Es sind die stillen Momente, die ich grundsätzlich versuche, täglich einzurichten. Einmal im Jahr versuche ich dann komplett, diese innere Stärke aufzubauen, mich innerlich zu orientieren, zu sortieren, zu fragen und zu überprüfen, ob ich auf dem Weg bin und nicht nur versuche, selbstsüchtigen Wünschen nachzujagen. Es geht mir auch darum, nicht nur zu schauen, was das Leben mir bieten kann, sondern immer wieder zu überprüfen, was kann ich dem Leben bieten? In dem Zusammenhang finde ich folgendes Zitat Gottes passend: "Meine Kraft ist in den Schwachen mächtig."

Haben Sie nach Ihrem Unfall bei "Wetten, dass..?" anders oder neu zum Glauben gefunden?

Samuel Koch: Ich würde nicht sagen neu, auch nicht direkt anders, aber intensiver. Wenn man davon ausgeht, dass sich sowieso ständig überall alles ändert, dann hat sich auch mein Glaube verändert. Alles, was zu dem vermeintlich naiven Kinderglauben "Gott wird schon auf uns aufpassen und schauen, dass alles gut geht" gehört, habe ich ad acta gelegt. Durch den Crash musste ich notgedrungen feststellen, dass es Wichtigeres gibt oder geben muss als körperliche Unversehrtheit. So hat sich einiges in meinem Glauben relativiert, aber nachhaltig intensiviert.

Wie praktizieren Sie Ihren Glauben? Was ist Ihnen dabei wichtig: der regelmäßige Kirchenbesuch oder das persönliche Gespräch mit Gott?

Samuel Koch: Ich halte die Gemeinschaft schon für elementar wichtig, dass nicht jeder seine eigene Suppe kocht. Auf der anderen Seite bedeutet mir das individuelle, persönliche Gebet, das Stillwerden viel. Es geht nicht nur darum, zu bitten und zu betteln. "Ach bitte, lieber Gott…" Es geht darum, auch einfach zu hören, ein hörendes Gebet zuzulassen. Ich treffe mich gerne mit guten Freunden, die meinen Glauben teilen.

Und wie begleitet Sie der Glaube im Alltag?

Samuel Koch: Ich starte ganz bewusst in den Tag. Bevor ich schaue, was die Menschen sagen, was die Medien sagen, was die Nachrichten auf dem Handy sagen, versuche ich den Tag in übergeordnete Hände und in Stille zu legen. Manche nennen es Meditation, manche ein Gebet. Dann habe ich eine tägliche Lektüre, nach der ich den Alltag ausrichte. Durch den Tag hindurch ist es wie in jeder Beziehung. Mal gibt es intensivere Phasen, manchmal fühlt man sich wie in einer Fernbeziehung. Zeitweise geht man mit seinem Glaubensleben bewusster durch den Tag, manchmal denkt man auch einfach: "Ach, du meine Güte, jetzt war ich wieder ein Getriebener, der reagiert statt agiert hat."

MATERIAL ZUR PRESSEMITTEILUNG

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