PRESSEREISE INS BALTIKUM

Katholiken in der Diaspora helfen ukrainischen Flüchtlingen und Süchtigen

Schwester Hannah absolviert eine Trainingseinheit am Boxsack. (Foto: Marius Thöne)
Schwester Hannah absolviert eine Trainingseinheit am Boxsack. (Foto: Marius Thöne)

05.10.2022

Mit einem positiven Fazit der Teilnehmer ist jetzt die Pressereise des Bonifatiuswerkes nach Lettland und Estland zu Ende gegangen. Die mitreisenden Journalisten konnten einen Eindruck von der katholischen Kirche in den beiden baltischen Staaten gewinnen, die zum Fördergebiet des Bonifatiuswerkes gehören. Aber auch die aktuelle politische Diskussion rund um den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine bestimmte die Interviews der Medienvertreter vor Ort.

Besonders im Gedächtnis bleiben wird der Reisegruppe beispielsweise die Ordensschwester Hannah von den Dominikanerinnen von Bethanien in Riga. Sie und ihre Mitschwestern haben in ihrem Kloster Räume für Flüchtlinge aus der Ukraine zur Verfügung gestellt. Die 39-Jährige, die aus der Nähe von Köln stammt, und seit mehreren Jahren in Riga wirkt, begleitete die Gruppe einige Zeit als Übersetzerin und überraschte sie, als sie auf dem Dachboden der Magdalenenkirche in Riga plötzlich die Boxhandschuhe überstreifte und eine kleine Trainingseinheit am Boxsack absolvierte. Beeindruckt hat die Journalisten darüber hinaus das christlich-katholische Bethlehem-Haus der Barmherzigkeit in Riga und dessen Chefin Dana Anskaite. Das Haus ist ein Zufluchtsort für Menschen, die oftmals nach vielen Jahren Abhängigkeit von Alkohol und Drogen loskommen wollen. Mit viel Mut und Entschlossenheit, hat es die Unternehmerin Anskaite mit Partnern gegründet. „Fünf Jahre haben wir nur von der Barmherzigkeit Gottes gelebt“, sagt sie. Alle, ob die Diözese oder die Stadt Riga, hätten ihre Idee gelobt. „Aber alle haben auch gesagt, wir haben kein Geld“. Erst seit 2016 wird die Einrichtung nicht nur vom Bonifatiuswerk, sondern auch von der Stadt finanziert.

In Bezug auf den Ukraine-Krieg fand der Generalvikar des Erzbistums Riga, Andris Kravalis, deutliche Worte an und forderte dazu auf, die Verbrechen klar zu benennen. "Wir dürfen nicht vergessen, wer wen angegriffen hat und wer der Okkupant ist", sagte Kravalis, der zugleich Weihbischof der Diözese ist, im Gespräch mit den Journalisten. In Lettland hätten viele Menschen Angst. Das Land habe bittere Erfahrungen in der Sowjetzeit gemacht. Mittlerweile gebe es eine verbreitete Tendenz zur Wiedereinführung der Wehrpflicht. Laut Kravalis helfen die lettischen Kirchen ukrainischen Geflüchteten. Auch die Caritas sei beteiligt. Auch der frühere Staatspräsident Vladis Zatlers äußerte sich gegenüber den Journalisten zum Ukraine-Krieg.

Ähnlich ist die Situation in Estland. In dem Land mit etwa 1,4 Millionen Einwohnern leben mittlerweile etwa 50.000 Geflüchtete aus der Ukraine, davon der weitaus größte Teil in der Hauptstadt Tallinn. Dort ist eine Fähre zur Flüchtlingsunterkunft umgenutzt worden. Erster Ansprechpartner für die Menschen aus der Ukraine ist oftmals die griechisch-katholische Gemeinde, die einst von Ukrainern gegründet wurde, die in Sowjetzeiten nach Estland gekommen sind. "Wir helfen den Menschen, sorgen dafür, dass Kinder Schulmaterial bekommen", sagte Pfarrer Roman Kikh. Bonifatiuswerk-Geschäftsführer Ingo Imenkämper nutzte die Pressereise, um ihm eine Spende für die Flüchtlingsarbeit zu überreichen. An der katholischen Michaelsschule, einer Einrichtung der Apostolischen Administratur in Tallin, ist eine Flüchtlingsklasse für Schülerinnen und Schüler aus der Ukraine gebildet worden. Sie werden sowohl von einer estnischen als auch von einer ukrainischen Lehrerin unterrichtet. Der estnische Parlamentsabgeordnete Michail Lottmann sprach gegenüber den Journalisten von einer "gefährlichen Situation". Er sei seit Kriegsausbruch vier Mal in der Ukraine gewesen. "Dort passieren schreckliche Dinge", sagte er.

Bilder der Pressereise

Projekte des Bonifatiuswerkes besucht

Darüber hinaus besuchte die Gruppe Projekte, die das Bonifatiuswerk finanziell unterstützt. Dazu zählte das Karmelitinnen-Klosterim lettischen Ikskile. Es war bei seiner Gründung vor etwa 20 Jahren das erste kontemplative Kloster in Lettland, in dem heute sechs Schwestern im Alter von 44 bis 78 Jahren leben. Auf den Besuchsprogramm stand auch ein Rehabilitationsbauernhof in Olaine, der zum Bethlehem-Haus der Stiftung "Nova Vita" in Riga gehört. In den beiden Einrichtungen wird Abhängigen geholfen, von Alkohol oder Drogen loszukommen.

Im Frauengefängnis Ilguciems unweit von Riga organisiert die Caritas Lettland Resozialisierungs- und Seelsorgearbeit. Die Engagierten stellten den Reiseteilnehmern ihr Konzept vor, wie sie die Frauen zum Ende ihrer Haftzeit fit für den Alltag in Freiheit machen. Dazu zählt beispielsweise Hilfestellung bei der Wohnungs- und Jobsuche. Eine Künstlerin bietet Origami als Geduldstraining an. Die Pandemie sei eine große Herausforderung für die soziale Arbeit im Gefängnis gewesen, berichtete Daina Strelevica von der Caritas. So sei Wolle ins Gefängnis geschickt worden, aus der die Gefangenen Socken strickten. Die Wolle habe aber "14 Tage in Quarantäne" gemusst. In Ilguciems sind derzeit etwa 180 Frauen inhaftiert. Es gibt auch einen Mutter-Kind-Trakt, in dem zurzeit fünf Kinder leben, wie Strelevica berichtet. Sprechen konnten die Journalisten mit einer 59-jährigen Strafgefangenen, die in drei Monaten entlassen wird. Sie hat eine "Straftat im beruflichen Kontext begangen", wie sie berichtete und wurde zu sechs Jahren Haft verurteilt. Die dreifache Mutter und Großmutter zweier Enkelsöhne hat vor allem die erste Zeit im Gefängnis als "schweren Prozess" erlebt. "Irgendwann muss man aber Frieden schließen mit dem, was passiert ist", sagte sie. Dabei habe der gläubigen orthodoxen Christin auch das Gebet geholfen.
 

Erinnerungsstätte für Eduard Profittlich geplant

In Estland unternahm die Reisegruppe einen Abstecher in die Universitätsstadt Tartu, wo Pfarrer Miguel Angel Arata Rosenthal, der aus Chile stammt, die katholische Schule und die Pläne für den Neubau eines Jugendzentrums vorstellte. Im Örtchen Kodasema besichtigten die Journalisten das Bildungszentrum der Apostolischen Administratur Tallin, wo Kinder- und Jugendcamps genauso stattfinden wie Exerzitien für Erwachsene oder spezielle Veranstaltungen für Obdachlose. In Tallinn besuchte die Gruppe neben der katholischen Schule auch die Kathedrale, in deren Untergeschoss derzeit eine Krypta ausgebaut wird, in der eine Ausstellung über das Leben und Wirken von Erzbischof Eduard Profittlich  eingerichtet werden soll.

(thm)